Der Gotteswahn
wenig entziehen können und den man deshalb durchaus als mentale Folter bezeichnen kann. Ich stehe der Religion feindselig gegenüber, weil sie Kurt Wise so etwas angetan hat. Und wenn sie dies einem in Harvard ausgebildeten Geologen antun kann, dann kann man sich leicht ausmalen, was sie bei weniger begabten und weniger gebildeten Menschen anrichtet.
Die fundamentalistische Religion ist ganz wild darauf, die naturwissenschaftliche Ausbildung vieler tausend argloser, wohlmeinender, eifriger junger Köpfe zu ruinieren. Eine nicht fundamentalistische, »vernünftige« Religion hat solche Wirkungen vielleicht nicht. Aber sie macht es dem Fundamentalismus leichter, indem sie Kindern schon in jungen Jahren beibringt, dass unhinterfragter Glaube eine Tugend sei.
Die dunkle Seite des Absolutismus
Im vorangegangenen Kapitel, als ich versuchte, den Wandel des ethischen Zeitgeistes zu beleuchten, habe ich mich auf die allgemein anerkannten Ansichten liberaler, aufgeklärter, anständiger Menschen berufen. Dabei habe ich wie mit einer rosa Brille unterstellt, dass »wir« alle im Wesentlichen solche Ansichten teilen, der eine vielleicht mehr, der andere weniger. Dabei hatte ich die Mehrzahl derer vor Augen, die dieses Buch voraussichtlich lesen werden, ob sie nun religiös sind oder nicht. Aber natürlich handelt es sich dabei nicht um die Ansicht aller (wie auch nicht alle den Wunsch haben werden, mein Buch zu lesen). Man muss vielmehr zugeben, dass der Absolutismus alles andere als tot ist. Er beherrscht auch heute noch den Geist zahlreicher Menschen auf der ganzen Welt. Am gefährlichsten ist er in der muslimischen Welt und in der im Entstehen begriffenen amerikanischen Theokratie (siehe Kevin Phillips, American Theocracy ) . Dieser Absolutismus erwächst fast immer aus starkem religiösem Glauben und ist ein gewichtiger Grund für die Annahme, dass Religion in der Welt eine Kraft des Bösen sein kann.
Im Alten Testament steht eine der schlimmsten Strafen auf das Vergehen der Gotteslästerung. In manchen Ländern sind solche Vorschriften noch heute in Kraft. Das pakistanische Strafgesetzbuch sieht in Abschnitt 295-C für dieses »Verbrechen« die Todesstrafe vor. Am 18. August 2001 wurde der Arzt und Dozent Dr. Younis Shaikh wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilt. In seinem Fall bestand das Verbrechen darin, dass er seinen Studenten gesagt hatte, der Prophet Mohammed sei kein Muslim gewesen, weil er die Religion erst im Alter von vierzig Jahren erfunden habe. Wegen dieser »Lästerung« zeigten ihn elf Studenten bei den Behörden an. Häufiger wird der Gotteslästerungsparagraf in Pakistan gegenüber Christen angewandt, etwa gegen Augustine Ashiq »Kingri« Masih, der in Faisalabad im Jahr 2000 zum Tod verurteilt wurde. Masih war Christ und durfte deshalb seine Freundin, eine Muslima, nicht heiraten; unglaublich, aber wahr: Das pakistanische (und islamische) Recht verbietet die Eheschließung zwischen einer muslimischen Frau und einem nicht muslimischen Mann. Er versuchte, zum Islam zu konvertieren, aber nun warf man ihm vor, er habe dies aus niederen Beweggründen getan. Aus dem Bericht, den ich gelesen habe, geht nicht klar hervor, ob dies schon das Kapitalverbrechen war oder ob es darin bestand, dass er angeblich etwas über die Moral des Propheten selbst gesagt hatte. So oder so wäre sein Verhalten in einem Land, dessen Gesetze frei von religiöser Bigotterie sind, sicher nicht mit dem Tod bestraft worden.
In Afghanistan wurde Abdul Rahman 2006 zum Tode verurteilt, weil er zum Christentum konvertiert war. Hatte er jemanden ermordet, jemandem wehgetan, etwas gestohlen, etwas beschädigt? Nein. Er hatte nur seine Meinung geändert. In seinem Inneren und ganz privat hatte er es sich anders überlegt. Er hegte gewisse Gedanken , die der herrschenden Partei in seinem Land nicht gefielen. Wohlgemerkt, das alles geschah nicht im Afghanistan der Taliban, sondern im »befreiten« Afghanistan eines Hamid Karsai, den eine Koalition unter amerikanischer Führung eingesetzt hatte. Mr. Rahman entging schließlich der Hinrichtung, aber nur weil er auf Unzurechnungsfähigkeit plädiert hatte und weil international erheblicher Druck ausgeübt wurde. Er hat jetzt in Italien Asyl beantragt, um nicht von Eiferern ermordet zu werden, die erpicht darauf sind, ihre islamische Pflicht zu tun. Selbst die Verfassung des »befreiten« Afghanistan enthält einen Artikel, wonach der Abfall vom Glauben mit dem Tod bestraft wird. Wie
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