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Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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    Der Rest von Layfields Vortrag ist nichts anderes als ein Propagandahandbuch, ein Nachschlagewerk für religiöse Biologie-, Chemie- und Physiklehrer, die im Rahmen des staatlich vorgegebenen Lehrplans die evidenzbasierte naturwissenschaftliche Ausbildung unterlaufen und durch biblische Lehren ersetzen wollen.
    Am 15. April 2006 interviewte James Naughtie, einer der erfahrensten Nachrichtenmoderatoren der BBC, Sir Peter Vardy in einer Rundfunksendung. Hauptthema des Gesprächs war die polizeiliche Untersuchung eines von Vardy bestrittenen Vorwurfes, die Blair-Regierung habe reiche Männer mit der Verleihung von Adelstiteln bestechen wollen, damit sie Geld für das System der City Academies zur Verfügung stellten. Naughtie erkundigte sich bei Vardy auch nach dem Kreationismus, und dieser leugnete kategorisch, dass das Emmanuel College seinen Schülern den Jungerde-Kreationismus beibringe. Doch ebenso kategorisch erklärte Peter French, ein früherer Schüler der Institution: 162 »Uns wurde beigebracht, dass die Erde 6000 Jahre alt ist.« [56] Wer sagt hier die Wahrheit? Nun, wir wissen es nicht, aber Stephen Layfield legt in seinem Vortrag recht freimütig dar, wie er sich den naturwissenschaftlichen Unterricht vorstellt. Hat Vardy dieses sehr offenherzige Manifest nie gelesen? Weiß er wirklich nicht, welche Ziele sein naturwissenschaftlicher Fachleiter verfolgt? Peter Vardy hat sein Geld mit dem Verkauf von Autos verdient. Würden wir von ihm ein Fahrzeug kaufen? Und würden wir ihm wie Tony Blair eine Schule zu 10 Prozent ihres Preises überlassen – mit dem Angebot, alle laufenden Kosten zu übernehmen, als Zugabe? Wir wollen nachsichtig sein mit Blair und annehmen, dass er zumindest den Vortrag von Layfield nicht gelesen hat. Aber es wäre wohl auch übertrieben, darauf zu hoffen, dass er sich der Sache wenigstens jetzt annehmen werde.
    Schulleiter McQuoid formulierte eine Verteidigung für das, was er sicher für die Aufgeschlossenheit seiner Schule hält; daraus spricht eine bemerkenswerte väterliche Herablassung:

    Das beste Beispiel dafür, wie es hier zugeht, ist ein Vortrag über Philosophie, den ich in der sechsten Klasse hielt. Shaquille saß da und sagte: »Der Koran ist richtig und wahr.« Und Clare da drüben sagte: »Nein, die Bibel ist wahr.« Also sprachen wir über die Ähnlichkeiten zwischen ihren Überzeugungen und über die Stellen, an denen sie unterschiedlicher Meinung sind. Wir kamen darin überein, dass nicht beide wahr sein können. Schließlich sagte ich: »Tut mir leid, Shaquille, du hast Unrecht, die Bibel ist wahr.« Und er sagte:
    »Tut mir leid, Mr. McQuoid, Sie haben Unrecht, der Koran ist wahr.« Dann gingen sie zum Mittagessen und setzten dort die Diskussion fort. Genau das wollen wir. Wir wollen, dass Kinder wissen, warum sie dies und nichts anderes glauben, und dass sie es verteidigen können. 163

    Was für ein reizendes Bild! Shaquille und Clare gehen gemeinsam zum Mittagessen, diskutieren leidenschaftlich über ihre Ansichten und verteidigen ihre unvereinbaren Überzeugungen. Aber ist es wirklich so reizend? Hat Mr. McQuoid hier nicht in Wirklichkeit ein beklagenswertes Bild gezeichnet? Worauf gründen Shaquille und Clare letztlich ihre Argumente? Welche vernünftigen Begründungen können sie in ihrer leidenschaftlichen, konstruktiven Diskussion anführen? Clare und Shaquille versichern sich einfach gegenseitig, das eine oder andere heilige Buch sei überlegen, und das war’s. Mehr sagen sie offensichtlich nicht, und mehr kann man auch nicht sagen, wenn man gelernt hat, dass Wahrheit nicht aus Belegen erwächst, sondern aus einer Schrift. Beide wurden von ihrer Schule im Stich gelassen, und ihr Schulleiter misshandelte zwar nicht ihren Körper, aber ihren Geist.

Noch einmal Bewusstseinserweiterung

    Betrachten wir noch ein anderes liebenswürdiges Bild. Meine Tageszeitung, der Independent , suchte irgendwann um Weihnachten herum ein zur Jahreszeit passendes Bild und fand eine herzerfrischende ökumenische Szene bei einem Schul-Krippenspiel. Die Heiligen Drei Könige wurden, wie die Bildunterschrift begeistert verkündete, von Shadbreet (einem Sikh), Musharaff (einem Muslim) und Adele (einer Christin) gespielt; alle waren vier Jahre alt.
    Liebenswürdig? Herzerfrischend? Nein, nichts davon; es ist grotesk. Wie können anständige Menschen es für richtig halten, vierjährige Kinder mit den Ansichten ihrer Eltern über Kosmos und Theologie zu etikettieren?

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