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Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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die Hälfte der oben aufgeführten biblischen Redewendungen sich als Anspielung in seinen Werken wiederfindet. (Mit einer Google-Suche würde man sie allerdings nicht alle finden, etwa die Anspielung des Kurzgeschichtentitels »The Aunt and the Sluggard« [»Die Tante und der Faulpelz«] auf Sprüche Salomos 6,6.) Bei Wodehouse finden sich noch viele weitere biblische Formulierungen, die in meiner Liste nicht vorkommen und die nicht als Redewendungen oder Sprichwörter in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen sind. Hören wir beispielsweise, wie Bertie Wooster das Gefühl beschreibt, morgens mit einem schrecklichen Kater aufzuwachen: »Ich hatte geträumt, dass irgendein Typ mir Pflöcke in den Schädel schlägt – aber nicht gewöhnliche Pflöcke, wie Hebers Frau Jael sie benutzte, sondern rot glühende.« Bertie selbst war ungeheuer stolz auf seinen einzigen Schulerfolg: eine Auszeichnung, die man ihm irgendwann einmal für seine Bibelkenntnis verliehen hatte.
    Was für die komische Literatur in englischer Sprache zutrifft, gilt natürlich in noch stärkerem Maße für die ernste Literatur. Naseeb Shaheens Aufstellung von mehr als 1300 biblischen Bezügen in Shakespeares Werken wird häufig zitiert und ist sehr glaubhaft. 165 Der in Fairfax (Virginia) erscheinende Bible Literacy Report (der zugegebenermaßen von der berüchtigten Templeton Foundation finanziert wird) nennt viele Beispiele und beruft sich auf die einhellige Meinung der Fachleute für englische Literatur, wonach Bibelkenntnisse für ein umfassendes Verständnis ihres Fachgebiets unentbehrlich sind. 166 Das Gleiche gilt zweifellos für die französische, deutsche, russische, italienische und spanische Literatur sowie für die Werke anderer großer europäischer Kulturnationen. Für jene, die in den arabischen oder indischen Sprachen zu Hause sind, dürften Kenntnisse des Korans oder der Bhagavad-Gita ebenso unentbehrlich sein, wenn sie ihr literarisches Erbe in vollem Umfang erfassen wollen. Und um die Liste abzurunden: Man kann Wagner (dessen Musik einer witzigen Formulierung zufolge besser ist, als sie klingt) nicht in vollem Umfang schätzen, ohne über die nordischen Götter Bescheid zu wissen.
    Ich möchte das Thema hier nicht weiter vertiefen. Mit meinen Ausführungen habe ich vermutlich zumindest meine älteren Leser davon überzeugt, dass eine atheistische Weltanschauung keine Rechtfertigung ist, um die Bibel und andere heilige Bücher aus unserem Bildungswesen zu verbannen. Und natürlich können wir uns eine gewisse sentimentale Loyalität zu den kulturellen und literarischen Traditionen beispielsweise des Judentums, der anglikanischen Religion oder des Islam bewahren, ja wir können sogar an Trauungen, Beerdigungen und anderen religiösen Ritualen teilnehmen, ohne uns den Glauben an Übernatürliches zu Eigen zu machen, der sich historisch mit diesen Traditionen verbindet. Wir können den Glauben an Gott aufgeben, ohne den Kontakt zu einem wertvollen kulturellen Erbe zu verlieren.

10. Eine notwendige Lücke?
    Was kann erschütternder sein als durch ein 2,5-Meter-Teleskop auf eine weit entfernte Galaxie zu blicken, ein 100 Millionen Jahre altes Fossil oder ein 500.000 Jahre altes Steinwerkzeug in der Hand zu halten, vor der gewaltigen räumlichen und zeitlichen Kluft zu stehen, die der Grand Canyon ist, oder einem Wissenschaftler zuzuhören, der der Erschaffung des Universums ins Gesicht gesehen hat und nicht zurückgewichen ist? Das ist tiefgründige, heilige Wissenschaft.
       
    Michael Shermer

»Dieses Buch füllt eine dringend notwendige Lücke« (»This book fills a much-needed gap«). Als Witz funktioniert dieses Paradox nur, wenn wir die gegensätzlichen Bedeutungen gleichzeitig verstehen. [57] Ich hatte immer geglaubt, es handele sich nur um ein Wortspiel, doch zu meiner Überraschung musste ich feststellen, dass Verlage es gelegentlich tatsächlich verwenden. Füllt die Religion eine »notwendige Lücke«? Häufig wird behauptet, es gebe im Gehirn eine Lücke, welche die Form Gottes habe und ausgefüllt werden müsse. Demnach hätten wir ein psychologisches Bedürfnis nach Gott – nach einem imaginären Freund, Vater, großen Bruder, Beichtvater und Vertrauten –,
und dieses Bedürfnis müsste befriedigt werden, ganz gleich, ob es Gott in Wirklichkeit gibt oder nicht. Indes, wäre es nicht auch denkbar, dass Gott dann in eine Lücke gestopft wird, die wir besser mit etwas anderem füllen würden? Mit Wissenschaft

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