Der Gotteswahn
so, verstehe, die Gebete meiner Tante reichen nicht aus. Aber Herr, Mr. Evans im Bett nebenan … Wie war das, Herr? … Mr. Evans hat jeden Tag tausend Gebete bekommen? Aber Herr, Mr. Evans kennt keine tausend Menschen … Ach so, sie kennen ihn nur als John E. Aber Herr, woher wusstest du denn, dass sie nicht John Ellsworthy meinten? … Ach ja, du bist ja allwissend und wusstest deshalb auch, welcher John E. gemeint war. Aber Herr …
Das Wissenschaftlerteam nahm den Spott tapfer auf sich und arbeitete weiter. Unter Leitung des Kardiologen Dr. Herbert Benson vom Mind/Body Medical Institute in der Nähe von Boston verbrauchten sie 2,4 Millionen Dollar von der Templeton Foundation. In einer früheren Pressemitteilung der Stiftung hieß es über Dr. Benson: »Nach seiner Überzeugung sprechen immer mehr Belege dafür, dass Fürbittgebete in einem medizinischen Umfeld wirksam sind.« Das Forschungsprojekt war also in beruhigend guten Händen und wurde höchstwahrscheinlich nicht durch skeptische Schwingungen beeinträchtigt. Dr. Benson und sein Team überwachten in sechs Kliniken insgesamt 1802 Patientinnen und Patienten, die sich alle einer Bypassoperation am Herzen unterzogen hatten. Die Patienten wurden in drei Gruppen eingeteilt. Für die Gruppe 1 wurde gebetet, ohne dass die Kranken es wussten. Für die Gruppe 2 (die Kontrollgruppe) wurde nicht gebetet, und die Patienten wussten ebenfalls nichts davon. Für die Gruppe 3 wurde gebetet, und die Betreffenden wussten davon. Der Vergleich zwischen den Gruppen 1 und 2 sagt etwas über die Wirksamkeit von Fürbittegebeten aus, während man an Gruppe 3 ablesen kann, ob es psychosomatische Auswirkungen hat, wenn man weiß, dass andere für einen beten.
Die Gebete wurden in den Kirchen von drei Gemeinden in Minnesota, Massachusetts und Missouri gesprochen. Alle drei waren weit von den Krankenhäusern entfernt. Wie bereits erwähnt, erhielten die Betenden nur den Vornamen und den ersten Buchstaben des Nachnamens eines Patienten, für den sie beten sollten. Es entspricht den Maßstäben für gute experimentelle Arbeit, dass man so weit wie möglich standardisiert, und deshalb wurden alle gebeten, in ihr Gebet die Formulierung »für eine gelungene Operation mit schneller Genesung und ohne Komplikationen« aufzunehmen.
Die Ergebnisse, über die das American Heart Journal im April 2006 berichtete, waren eindeutig. Zwischen den Patienten, für die gebetet, und denen, für die nicht gebetet wurde, war kein Unterschied festzustellen. Welche Überraschung! Einen Unterschied gab es jedoch zwischen denen, die wussten , dass für sie gebetet wurde, und den beiden Gruppen der Unwissenden; aber dieser Unterschied wies in die falsche Richtung. Die Patienten, die wussten, dass sie in den Genuss von Gebeten kamen, litten signifikant häufiger an Komplikationen als die Unwissenden. Wollte Gott sie ein wenig piesacken und damit zeigen, dass ihm das ganze verrückte Unternehmen nicht gefiel?
Wahrscheinlicher ist, dass die Patienten, die wussten, dass für sie gebetet wurde, dadurch unter zusätzlichen Stress gerieten – die Versuchsleiter bezeichneten es als »Leistungsangst«. Dr. Charles Betha, einer der beteiligten Wissenschaftler, meinte dazu: »Es hat sie vielleicht verunsichert, weil sie sich gefragt haben: Bin ich so krank, dass man Leute zum Beten rufen muss?« Wäre es in der heutigen prozesslustigen Gesellschaft nun eine unziemliche Erwartung, dass die Patienten, die wussten, dass für sie gebetet wurde, und die deshalb Komplikationen bekamen, eine Gruppenklage gegen die Templeton Foundation anstrengen?
Wie vielleicht nicht anders zu erwarten, sprachen sich viele Theologen gegen diese Studie aus. Vielleicht hatten sie Angst, weil das Experiment die Möglichkeit bot, sich über die Religion lustig zu machen. Der Oxforder Theologe Richard Swinburne erhob erst nach dem Scheitern der Untersuchung Einspruch und erklärte, Gott erhöre Gebete nur dann, wenn sie aus stichhaltigen Gründen gesprochen würden. 39 Für den einen und nicht für den anderen zu beten, nur weil der Würfel bei der Planung eines Doppelblindversuchs so gefallen ist, sei kein stichhaltiger Grund. Gott werde das durchschauen. Genau darum ging es in meiner Bob-Newhart-Satire, und Swinburne hat recht, wenn er das Gleiche sagt. Aber in anderen Teilen seines Artikels übertrifft Swinburne jede Parodie. Nicht zum ersten Mal gibt er sich Mühe, das Leiden in einer von Gott gelenkten Welt zu rechtfertigen:
Mir
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