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Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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der Arten , Gemeindeältester und starb 1867 als Mitglied der Sekte. Auch James Clerk Maxwell, als Theoretiker ein Gegenpol zum Experimentalforscher Faraday, war gläubiger Christ. Das Gleiche galt auch für die zweite Säule der britischen Physik im 19. Jahrhundert, William Thomson Lord Kelvin, der nachweisen wollte, dass die Evolution aus Mangel an Entwicklungszeit abwegig sei. Der große Pionier der Thermodynamik ging bei seiner Fehldatierung davon aus, dass die Sonne eine Art Feuer sei, dessen Brennstoff nicht erst nach Jahrmilliarden, sondern schon nach wenigen Dutzend Millionen Jahren zur Neige gehen müsse. Natürlich kann man nicht erwarten, dass Kelvin bereits etwas über Kernenergie wusste. Erfreulicherweise blieb es Sir George Darwin, Charles’ zweitem Sohn, vorbehalten, 1903 bei der Tagung der British Association seinen unadeligen Vater zu bestätigen, indem er sich auf die Entdeckung des Radiums durch das Ehepaar Curie berief und so die Schätzung von Lord Kelvin, der damals noch lebte, widerlegen konnte.
    Im 20. Jahrhundert findet man nicht mehr so leicht große Wissenschaftler, die sich zur Religion bekennen, aber sonderlich selten sind sie auch nicht. Nach meiner Vermutung waren die meisten von ihnen nur im Sinne Einsteins religiös, und das ist, wie ich in Kapitel 1 dargelegt habe, eine falsche Verwendung des Wortes. Es gibt aber auch einige echte Beispiele für gute Naturwissenschaftler, die im vollständigen, traditionellen Sinn ehrlich gläubig sind. Unter den britischen Wissenschaftlern unserer Zeit tauchen mit der liebenswerten Vertrautheit der Seniorpartner in einer Dickens’schen Anwaltskanzlei immer die gleichen drei Namen auf: Peacocke, Stannard und Polkinghorne. Alle drei wurden entweder mit dem Templeton-Preis ausgezeichnet oder sitzen im Beirat der Templeton Foundation. Ich habe mit allen dreien sowohl in der Öffentlichkeit als auch privat liebenswürdige Gespräche geführt. Verblüfft bin ich immer noch, allerdings weniger über ihren Glauben an eine Art kosmischen Gesetzgeber als vielmehr über ihr Festhalten an den Details der christlichen Religion: Auferstehung, Vergebung der Sünden und so weiter.
    Entsprechende Beispiele gibt es auch in den Vereinigten Staaten, darunter Francis Collins, den Verwaltungsleiter des amerikanischen Zweiges im offiziellen Human-Genomprojekt. [17] Aber wie in Großbritannien fallen sie auch hier wegen ihrer Seltenheit auf und sind bei ihren Kollegen in der wissenschaftlichen Welt das Objekt amüsierter Verblüffung. Im Jahre 1996 interviewte ich meinen Freund Jim Watson, den genialen Begründer des Human-Genomprojekts. Das Gespräch fand in Cambridge statt, im Garten von Clare, seinem alten College, und war Teil einer Dokumentarsendung über Gregor Mendel, den genialen Begründer der gesamten Genetik, die ich für das BBC-Fernsehen vorbereitete. Mendel war als Augustinermönch natürlich ein religiöser Mann; aber das war im 19. Jahrhundert, und damals war der Eintritt ins Kloster für den jungen Mann der einfachste Weg, um seine wissenschaftlichen Interessen weiter zu verfolgen. Für ihn war es das Gleiche wie heute ein Forschungsstipendium. Ich fragte Watson, ob er in unserer Zeit viele religiöse Wissenschaftler kenne. Darauf erwiderte er: »So gut wie keinen. Manchmal treffe ich mit solchen Leuten zusammen, das ist mir dann ein bisschen peinlich [lacht], weil, weißt du, ich kann einfach nicht glauben, dass jemand die Wahrheit aufgrund einer Offenbarung anerkennt.«
    Francis Crick, neben Watson der zweite Mitbegründer der molekulargenetischen Revolution, legte seine Mitgliedschaft im Churchill College in Cambridge nieder, weil die Institution sich entschlossen hatte, auf Geheiß eines Geldgebers eine Kapelle zu bauen. In meinem Interview am Clare College sprach ich Watson bewusst darauf an, dass manche Menschen im Gegensatz zu Crick und ihm keinen Widerspruch zwischen Naturwissenschaft und Religion erkennen können, weil es in der Wissenschaft ihrer Ansicht nach darum gehe, wie die Dinge funktionieren, in der Religion dagegen, wozu sie da sind. Darauf erwiderte Watson: »Nun ja, ich glaube nicht, dass wir zu irgendetwas da sind. Wir sind einfach Produkte der Evolution. Man kann natürlich sagen: ›Igitt, Ihr Leben muss aber ziemlich öde sein, wenn Sie nicht glauben, dass es einen Zweck hat.‹ Aber jetzt freue ich mich auf ein gutes Mittagessen.« Und wir aßen gut zu Mittag.
    Die Versuche der Religionsvertreter, in unserer Zeit wirklich

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