Der Gotteswahn
angesehene, religiöse Naturwissenschaftler zu finden, haben etwas Verzweifeltes, und sie erzeugen den unverkennbar hohlen Klang von Fässern, an deren Boden gekratzt wird. Ich konnte nur eine einzige Website finden, die angeblich »christliche Wissenschaftler und Nobelpreisträger« aufführte. Sie nannte sechs Namen von mehreren hundert, die den Nobelpreis bis heute erhalten haben. Wie sich dann herausstellte, waren vier der sechs überhaupt keine Nobelpreisträger, und mindestens einer ist, wie ich sicher weiß, nicht gläubig, sondern geht ausschließlich aus gesellschaftlichen Gründen in die Kirche. In einer systematischen Untersuchung von Benjamin Beit-Hallahmi »stellte sich heraus, dass unter den Nobelpreisträgern für Naturwissenschaften und auch für Literatur im Vergleich zu den Bevölkerungsgruppen, aus denen sie stammen, ein bemerkenswertes Ausmaß an Nicht-Religiosität herrscht«. 55
Eine weitere Studie veröffentlichten Larson und Witham 1998 in der führenden Fachzeitschrift Nature : Danach glauben von den US-amerikanischen Naturwissenschaftlern, die bei ihren Kollegen als so hoch qualifiziert gelten, dass sie in die National Academy of Sciences gewählt wurden (was einer Mitgliedschaft in der britischen Royal Society entspricht), nur sieben Prozent an einen persönlichen Gott. 56 Dieses überwältigende Übergewicht der Atheisten ist fast das genaue Gegenteil zum Profil der amerikanischen Gesamtbevölkerung, in der über 90 Prozent der Menschen an irgendein übernatürliches Wesen glauben. Bei den weniger herausragenden Naturwissenschaftlern, die nicht in die Wissenschaftsakademie gewählt wurden, liegt der Wert dazwischen. Wie in der Elitegruppe, so sind die Gläubigen auch hier in der Minderheit, die allerdings mit etwa 40 Prozent größer ist. Das sind genau die Verhältnisse, mit denen ich gerechnet hätte: Amerikanische Naturwissenschaftler sind weniger religiös als die allgemeine amerikanische Bevölkerung, und die angesehensten Wissenschaftler sind unter allen am wenigsten religiös. Bemerkenswert ist der diametrale Gegensatz zwischen der Religiosität der breiten amerikanischen Öffentlichkeit und dem Atheismus ihrer intellektuellen Elite. 57
Ein ganz klein bisschen amüsant ist dabei, dass »Answers in Genesis«, die führende Website der Kreationisten, die Studie von Larson und Witham ebenfalls zitiert – allerdings nicht als Beleg, dass mit der Religion irgendetwas nicht stimmt, sondern als Waffe in ihrem Streit mit jenen konkurrierenden Religionsvertretern, nach deren Ansicht die Evolution mit der Religion vereinbar ist. Unter der Überschrift »National Academy of Science [sic] ist gottlos bis in die Knochen« 58 zitiert »Answers in Genesis« voller Vergnügen das Ende des Briefes von Larson und Whitman an die Nature- Redaktion:
Während wir unsere Befunde zusammenstellten, gab die NAS [National Academy of Sciences] eine Broschüre heraus, die dazu aufforderte, an staatlichen Schulen die Evolution zu unterrichten, was eine Ursache ständiger Reibereien zwischen der wissenschaftlichen Welt und einigen konservativen Christen in den Vereinigten Staaten darstellt. Das Heft versichert dem Leser: »Ob Gott existiert oder nicht, ist eine Frage, in der sich die Naturwissenschaft neutral verhält.« Dazu sagte NAS-Präsident Bruce Alberts: »Es gibt in dieser Akademie viele hervorragende Mitglieder, die sehr religiöse Menschen sind, Menschen, die an die Evolution glauben, viele davon Biologen.« Unsere Untersuchung lässt auf etwas anderes schließen.
Man hat den Eindruck, dass Alberts sich aus den Gründen, die ich im zweiten Kapitel unter der Überschrift »Die Neville-Chamberlain-Schule der Evolutionsforscher« erörtert habe, das NOMA-Prinzip zu eigen machte. »Answers in Genesis« verfolgt ganz andere Ziele.
Das Gegenstück zur US-Academy ist in Großbritannien (und auch im Commonwealth mit Kanada, Australien, Neuseeland, Indien, Pakistan, den Englisch sprechenden afrikanischen Staaten und so weiter) die Royal Society. Während dieses Buch in Druck geht, arbeiten meine Kollegen
R. Elizabeth Cornwell und Michael Stirrat an einer vergleichbaren, aber gründlicheren Untersuchung über die religiösen Überzeugungen der Fellows in der Royal Society (FRS). Ihre vollständigen Befunde werden in absehbarer Zeit veröffentlicht; die Autoren haben mir freundlicherweise gestattet, hier einige vorläufige Ergebnisse zu zitieren. Zur Einordnung der Überzeugungen bedienten sie sich eines
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