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Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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oben liegt, ist nicht nur eine lustige Masche, sondern hat einen tieferen Grund. Welch großartige bewusstseinserweiternde Wirkung hätten solche Karten, wenn man sie in den Klassenzimmern der nördlichen Erdhalbkugel an die Wände hängen würde! Tag für Tag würden die Kinder daran erinnert, dass »Norden« eine willkürliche Bezeichnung ist, die kein Monopol auf das »Oben« hat. Die neue Karte würde sie faszinieren und gleichzeitig ihr Bewusstsein erweitern. Sie würden zu Hause ihren Eltern davon erzählen – und nebenbei bemerkt: Den Kindern etwas zu vermitteln, womit sie ihre Eltern überraschen können, ist eines der größten Geschenke, die ein Lehrer ihnen machen kann.
    Mein Bewusstsein für die Bedeutung der Bewusstseinserweiterung wurde durch die Feministinnen geweckt. Das Wort Herstory ist natürlich lächerlich, und sei es nur deshalb, weil das »his« in dem englischen Wort history (»Geschichte«) in keinem etymologischen Zusammenhang mit dem männlichen Pronomen his steht. (Ein ähnlicher Fall wäre im Deutschen frau statt man. ) Etymologisch sind solche sprachlichen Bildungen ebenso töricht wie die Entlassung eines Washingtoner Beamten im Jahr 1999, der mit dem Wort niggardly (»schäbig«) angeblich eine rassistische Beleidigung ausgesprochen hatte. Doch selbst krasse Fälle wie niggardly oder herstory tragen dazu bei, das Bewusstsein zu erweitern.
    Wenn sich unsere philologischen Nackenhaare wieder geglättet und wir das Gelächter eingestellt haben, zeigt uns herstory die Historie eben aus einem anderen Blickwinkel. Bei dieser Form der Bewusstseinserweiterung stehen Geschlechtspronomina bekanntlich an vorderster Front. Er oder sie muss sich fragen, ob sein oder ihr Stilgefühl es ihm oder ihr erlaubt, so zu schreiben. Aber wenn wir von den unglücklichen Schwerfälligkeiten der Sprache einmal absehen, wird auf diese Weise unser Bewusstsein für die empfindlichen Punkte bei der Hälfte der Menschheit erweitert. Man , mankind , »the Rights of Man« , »all men are created equal« , »one man , one vote« – mit der sprachlichen Gleichsetzung von »Mensch« und »Mann« schließt das Englische die Frauen nur allzu oft aus. [20] Als ich noch jung war, wäre ich nie auf die Idee gekommen, dass Frauen sich durch eine Formulierung wie »the future of man« hätten gekränkt fühlen können. In den seither vergangenen Jahrzehnten haben wir alle unser Bewusstsein erweitert. Selbst diejenigen, die heute noch man statt human sagen, tun es mit einem Ausdruck der entschuldigenden Befangenheit – oder aber trotzig, weil sie sich für die traditionelle Sprache einsetzen oder sogar gezielt die Feministinnen ärgern wollen. Das Bewusstsein all derer, die dem Zeitgeist huldigen, wurde erweitert, selbst wenn sie anschließend negativ reagierten, sich auf die Hinterbeine stellten und die Beleidigung verdoppelten.
    Der Feminismus hat uns gezeigt, wie wirksam die Bewusstseinserweiterung sein kann, und ich möchte das gleiche Verfahren auch auf die natürliche Selektion anwenden. Natürliche Selektion ist nicht nur eine Erklärung für die Gesamtheit alles Lebendigen, sondern sie erweitert auch unser Bewusstsein dafür, dass die Wissenschaft erklären kann, wie aus einfachen Anfängen ohne absichtliche Lenkung organisierte Komplexität entsteht. Umfassende Kenntnisse über die natürliche Selektion ermutigen uns, auch auf anderen Gebieten kühner zu werden. Sie wecken auf diesen anderen Gebieten unser Misstrauen gegen jene falschen Alternativen, von denen auch die Biologie in vordarwinistischer Zeit verseucht war. Wer hätte vor Darwin vermutet, dass etwas scheinbar eindeutig Gestaltetes wie der Flügel einer Libelle oder das Auge eines Adlers in Wirklichkeit das Endprodukt einer langen Reihe nicht zufälliger, aber dennoch rein natürlicher Vorgänge ist?
    Wie wirksam der Darwinismus das Bewusstsein erweitert, bezeugt Douglas Adams in seinem rührenden, amüsanten Bericht über seine eigene Bekehrung zum radikalen Atheismus – er bestand auf dem Beiwort »radikal«, damit niemand ihn fälschlich für einen Agnostiker hielt. Ich hoffe, man wird mir die Selbstbeweihräucherung, die in dem nachfolgenden Zitat zum Ausdruck kommt, verzeihen. Meine Entschuldigung dafür: Die Tatsache, dass Douglas durch meine früheren Bücher – mit denen ich niemanden bekehren wollte – bekehrt wurde, war für mich der Anlass, nun das vorliegende Buch – das bekehren will – seinem Andenken zu widmen. In einem Interview, das

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