Der Gotteswahn
bezeichnet das Problem des Bösen als »den stärksten Einwand gegen den traditionellen Theismus«. In Wirklichkeit spricht dieses Argument nur gegen die Existenz eines guten Gottes. Aber Güte gehört nicht zur Definition der Gotteshypothese, sie ist nur eine wünschenswerte Ergänzung.
Zugegeben: Leute mit theologischen Neigungen sind oft chronisch unfähig, das Wahre vom Wünschenswerten zu unterscheiden. Aber für intelligentere Menschen, die an ein übernatürliches Wesen glauben, ist es kinderleicht, das Problem des Bösen zu bewältigen. Man braucht nur einen boshaften Gott zu postulieren – zum Beispiel einen Gott, wie er uns im Alten Testament auf Schritt und Tritt begegnet. Wer sich dazu nicht bereit finden kann, dem bleibt die Möglichkeit, sich einen eigenen Gott des Bösen zu erfinden, ihn Satan zu nennen und dessen kosmischen Kampf gegen den guten Gott für das Böse in der Welt verantwortlich zu machen. Oder – eine noch raffiniertere Lösung – man postuliert einen Gott, der größere Dinge zu tun hat, als sich mit den kleinen Kümmernissen der Menschen abzugeben. Oder einen Gott, der dem Leiden gegenüber nicht gleichgültig ist, es aber als den Preis für einen freien Willen in einem geordneten Kosmos mit seinen Gesetzen betrachtet. Zu jeder dieser Rationalisierungen kann man Theologen finden, die sie vertreten.
Beim Nachvollzug von Unwins Bayes’scher Berechnung würden mich aus all diesen Gründen weder das Problem des Bösen noch ethische Überlegungen in die eine oder andere Richtung weit von der ursprünglichen Nullhypothese (Unwins 50 Prozent) wegführen. Aber ich möchte in dieser Frage überhaupt nicht mitdiskutieren, weil ich persönliche Meinungen, Unwins genauso wie meine eigenen, nicht für sonderlich spannend halte.
Gibt es doch ein viel schlagkräftigeres Argument, das nicht von subjektiven Beurteilungen abhängt: das Argument der Unwahrscheinlichkeit. Erst dieses Argument führt uns tatsächlich dramatisch weit von den 50 Prozent des Agnostizismus weg, und zwar in den Augen vieler Theisten fast bis zur Extremposition des Theismus, in meinen Augen jedoch bis zum Extrem des Atheismus. Darauf habe ich schon mehrfach angespielt. Die ganze Argumentation dreht sich um eine berühmte Frage, auf die fast jeder denkende Mensch von selbst kommt: Wer hat Gott erschaffen? Strukturierte Komplexität ist mit einem gestaltenden Gott nicht zu erklären, denn jeder Gott, der etwas gestaltet, müsste selbst so komplex sein, dass er für sich selbst wiederum die gleiche Erklärung verlangt. Gott stellt eine unendliche Regression dar und kann uns nicht helfen, daraus zu entkommen.
Wie ich im nächsten Kapitel darlegen werde, kann man mit diesem Argument Gottes Existenz zwar formal-logisch nicht widerlegen, sie aber doch als sehr, sehr unwahrscheinlich erscheinen lassen.
4. Warum es mit ziemlicher Sicherheit keinen Gott gibt
Die Priester der verschiedenen religiösen Sekten […] fürchten den Fortschritt der Wissenschaft wie die Hexen den Anbruch des Tages und blicken finster auf den tödlichen Boten, welcher die Zerstörung der Bauernfängerei ankündigt, von der sie leben.
Thomas Jefferson
Die höchste Form der Boeing 747
Beim Unwahrscheinlichkeitsargument – es ist im traditionellen Gewand des Gestaltungsarguments die heute mit Abstand beliebteste Begründung für die Existenz Gottes – geht es ums Ganze. Eine erstaunlich große Zahl von Theisten hält dieses Argument für völlig überzeugend, und es ist ja auch sehr stichhaltig und lässt sich kaum widerlegen. Allerdings verläuft seine Stoßrichtung nicht so, wie die Theisten wollen, sondern genau umgekehrt: Richtig angewandt, kommt das Unwahrscheinlichkeitsargument nämlich einem Beweis, dass Gott nicht existiert, sehr nahe. Ich habe einen schönen Namen für meinen statistischen Nachweis, dass Gott mit ziemlicher Sicherheit nicht existiert – einen Namen, der aus der Schach-Strategie kommt: Gambit. Mein Gambit heißt »Die höchste Form der Boeing 747«.
Dieser Name geht auf einen amüsanten Vergleich von Fred Hoyle zurück, der von der Entstehung einer Boeing 747 auf dem Schrottplatz handelt. Ob Hoyle selbst diese Analogie je zu Papier gebracht hat, weiß ich nicht genau, aber sie wurde ihm von seinem engen Mitarbeiter Chandra Wickramasinghe zugeschrieben und ist vermutlich authentisch. 61 Hoyle sagte: Die Wahrscheinlichkeit, dass Leben auf der Erde entsteht, ist nicht größer als die, dass ein Wirbelsturm, der über
Weitere Kostenlose Bücher