Der Gotteswahn
posthum in seinem Buch The Salmon of Doubt (Lachs im Zweifel) erschien, wurde er von einem Journalisten gefragt, wie er zum Atheisten geworden sei. Darauf erklärte er zunächst, wie er Agnostiker wurde, und fuhr dann fort:
Ich grübelte und grübelte und grübelte. Aber ich hatte nicht genügend Stoff, um weiterzugrübeln, und kam so zu keiner Lösung. Ich hatte größte Zweifel daran, dass ein Gott existiert, wusste aber einfach nicht genug, um ein anderes gut funktionierendes Erklärungsmodell für, nun ja, das Leben, das Universum und den ganzen Rest an seine Stelle zu setzen. Trotzdem blieb ich am Ball und las und grübelte weiter. Irgendwann, etwa mit Anfang dreißig, stieß ich zufällig auf die Evolutionsbiologie, vor allem in Gestalt von Richard Dawkins’ Büchern The Selfish Gene (Das egoistische Gen) und später The Blind Watchmaker (Der blinde Uhrmacher) , und plötzlich (ich glaube, bei der zweiten Lektüre von The Selfish Gene ) fügte sich eins ins andere. Es war ein ganz erstaunlich einfaches Konzept, aber es ließ ganz unverkrampft Raum für die unendliche und verwirrende Komplexität des Lebens. Neben der Ehrfurcht, die das in mir auslöste, erschien mir die Ehrfurcht, über die Leute im Hinblick auf religiöse Erfahrungen reden, ehrlich gesagt albern. Ich würde die Ehrfurcht des Verstehens jederzeit über die Ehrfurcht der Ignoranz stellen. 62
Das erstaunlich einfache Konzept, über das er sprach, hatte natürlich nichts mit mir zu tun. Es war Darwins Theorie der Evolution durch natürliche Selektion – der größte wissenschaftliche Bewusstseinserweiterer, den es je gab. (Douglas, du fehlst mir. Du warst nicht nur mein klügster, lustigster, aufgeschlossenster, scharfsinnigster und größter Bekehrter, sondern möglicherweise auch der einzige. Ich hoffe, dieses Buch hätte dich zum Lachen gebracht – wenn auch nicht so sehr, wie du mich zum Lachen gebracht hast.)
Der naturwissenschaftlich sehr bewanderte Philosoph
Daniel Dennett machte darauf aufmerksam, dass die Evolution einem unserer ältesten Gedanken zuwiderläuft: »Ich spreche von dem Glauben, es müsse stets einen großen, schlauen Denker geben, um etwas von niedrigerem Rang herzustellen. Ich nenne das Schöpfungstheorie von oben nach unten. Will sagen: Niemals sehen wir einen Speer, der einen Speermacher, niemals ein Hufeisen, das einen Schmied, niemals einen Topf, der einen Töpfer hervorbringt.« 63 Darwins Entdeckung, dass tatsächlich ein automatischer Prozess diese der Intuition widersprechende Leistung vollbringt, war ein wahrhaft revolutionärer Beitrag zum Denken der Menschheit, der unser Bewusstsein ungeheuer stark erweitern kann.
Es ist erstaunlich, wie groß der Bedarf für eine solche Bewusstseinserweiterung ist, und das sogar bei hervorragenden Naturwissenschaftlern aus anderen Fachgebieten als der Biologie. Fred Hoyle war ein ausgezeichneter Physiker und Kosmologe, aber sein Missverständnis mit der Boeing 747 und andere Fehler in der Biologie – er versuchte beispielsweise, den fossilen Archaeopteryx als Fälschung abzutun – lassen darauf schließen, dass er eine Bewusstseinserweiterung durch ausgiebigen Kontakt mit der Welt der natürlichen Selektion nötig gehabt hätte. Auf der reinen Vernunftebene verstand er, wie ich meine, die natürliche Selektion durchaus. Aber vielleicht muss man viel damit zu tun haben, darin eintauchen und schwimmen, um ihre wahre Bedeutung einschätzen zu können.
Andere Naturwissenschaften erweitern das Bewusstsein auf anderen Wegen. Fred Hoyles eigene Wissenschaft, die Astronomie, weist uns metaphorisch und buchstäblich unseren Platz zu und stutzt unsere Eitelkeit so zurecht, dass wir auf die winzig kleine Bühne passen, auf der sich unser Leben abspielt: auf einen kleinen Staubkrümel, der von der kosmischen Explosion übrig geblieben ist. Die Geologie erinnert uns daran, wie kurz sowohl unser individuelles Leben als auch das Leben unserer Spezies ist. Sie erweiterte John Ruskins Bewusstsein und veranlasste ihn 1852 zu seinem denkwürdigen Aufschrei: »Wenn die Geologen mich nur in Ruhe lassen würden, dann ginge es mir gut, aber diese schrecklichen Hämmer! Ihr Klingen höre ich am Ende jeder Kadenz aus den Bibelversen!«
Die gleiche Wirkung auf unser Zeitgefühl hat die Evolution – was nicht verwunderlich ist, denn sie arbeitet in erdgeschichtlichen Zeiträumen. Aber die Darwinsche Evolution und insbesondere die natürliche Selektion leisten noch mehr. Sie zerstören in
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