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Der Gotteswahn

Der Gotteswahn

Titel: Der Gotteswahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dawkins
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Dysons Preisvortrag und fügte (in kursiv gekennzeichneter Rollenprosa) satirisch-Imaginäre Fragen an einen Templeton-Funktionär ein:

    Ach. Sie hätten es gern etwas tiefschürfender? Wie wäre es mit …
    »Ich treffe keine klare Unterscheidung zwischen Geist und Gott. Wenn der Geist den Rahmen unserer Verständnisfähigkeit hinter sich gelassen hat, wird er zu Gott.«
    Habe ich jetzt genug gesagt , und kann ich mich jetzt wieder der Physik widmen? Ach , es reicht noch nicht? Na gut , wie wäre es dann damit:
    »Selbst in der grausigen Geschichte des 20. Jahrhunderts erkenne ich einen gewissen Fortschritt der Religion. Die beiden Menschen, die in unserem Jahrhundert zu Musterbeispielen für das Böse wurden – Adolf Hitler und Josef Stalin – waren bekennende Atheisten.« [27]
    Darf ich jetzt gehen?

    Dyson könnte die Folgerungen aus seinen Zitaten aus der Templeton-Preisrede ohne weiteres zurückweisen; dazu müsste er nur eindeutig erklären, welche Anhaltspunkte ihn dazu veranlassen, an Gott zu glauben, und zwar stärker als in dem Einstein’schen Sinn, den wir, wie ich in Kapitel 1 erläutert habe, alle leicht unterschreiben könnten. Wenn ich Horgan richtig verstehe, korrumpiert das Geld der Templeton Foundation die Naturwissenschaft. Ich bin mir aber sicher, dass Freeman Dyson sich nicht korrumpieren lässt. Dennoch war seine Preisrede unglücklich, weil sie anderen ein Vorbild gibt. Das Preisgeld des Templeton-Preises ist hundertmal größer als der Anreiz, den man den Journalisten in Cambridge geboten hatte, und der Preis wurde ausdrücklich so angelegt, dass die Dotierung höher ist als beim Nobelpreis. In einer faustischen Stimmung sagte mein Freund, der Philosoph Daniel Dennett, einmal im Scherz zu mir: »Also Richard, wenn es dir irgendwann mal schlecht gehen sollte …«
    Wie dem auch sei, ich nahm zwei Tage lang an der Konferenz in Cambridge teil, hielt selbst einen Vortrag und beteiligte mich an den Diskussionen zu mehreren anderen Beiträgen. Die Theologen fragte ich nach ihrer Antwort auf meine Aussage, dass ein Gott, der ein Universum oder irgendetwas anderes gestalten könne, komplex und damit statistisch unwahrscheinlich sein müsse. Die energischste Erwiderung lautete jedoch, ich würde der Theologie gegen ihren Willen eine naturwissenschaftliche Erkenntnistheorie überstülpen. [28] Die Theologen hätten Gott immer als einfach definiert. Was ich, der Naturwissenschaftler, mir denn herausnähme, den Theologen vorschreiben zu wollen, dass ihr Gott komplex sein müsse? Naturwissenschaftliche Argumente, an deren Anwendung ich aus meinem eigenen Fachgebiet gewohnt sei, eigneten sich hier eben nicht, denn die Theologen hätten schon immer gesagt, dass Gott außerhalb der Naturwissenschaft angesiedelt sei.
    Ich hatte nicht den Eindruck, dass die Theologen, die diese ausweichende Abwehrposition aufbauten, absichtlich unehrlich waren. Nein, ich hielt sie für aufrichtig. Gleichwohl wurde ich unweigerlich an Peter Medawars Kommentar zu dem Buch Der Mensch im Kosmos von Pater Teilhard de Chardin erinnert – den vielleicht großartigsten Verriss aller Zeiten: »Man kann dem Autor seine Unehrlichkeit nur deshalb nachsehen, weil er andere erst täuschen konnte, nachdem er große Mühe darauf verwendet hatte, sich selbst zu täuschen.« 79 Bei meiner Diskussion in Cambridge begaben sich die Theologen per definitionem in eine erkenntnistheoretische Schutzzone, in der man sie mit vernünftigen Argumenten nicht mehr erreichen konnte, weil sie kategorisch erklärt hatten, dass dies nicht möglich sei. Wer war ich denn, dass ich behauptete, rationale Argumente seien die einzig zulässige Art von Argumenten? Neben naturwissenschaftlichen Kenntnissen gebe es eben noch andere Arten des Wissens, und eine davon müsse man anwenden, um Gott kennen zu lernen.
    Wie sich dann herausstellte, war die wichtigste dieser anderen Arten von Wissen die persönliche, subjektive Gotteserfahrung. In Cambridge behaupteten mehrere Diskussionsteilnehmer, Gott habe innerlich zu ihnen gesprochen, und zwar ebenso lebhaft und persönlich wie ein anderer Mensch. Mit Illusionen und Halluzinationen (dem »Argument des persönlichen Erlebnisses«) habe ich mich bereits in Kapitel 3 befasst, aber auf der Tagung in Cambridge fügte ich noch zwei weitere Punkte an. Erstens: Wenn Gott den Menschen tatsächlich etwas mitteilt, liegt diese Tatsache ganz eindeutig nicht außerhalb der Naturwissenschaft. Gott platzt aus seinem wie auch immer

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