Der Graben: Thriller (German Edition)

Zu diesem Zeitpunkt hatten sich beide Arten über die Grenzen Afrikas hinaus ausgebreitet und waren auf dem europäischen Kontinent anzutreffen. Dann, nach einem Wendepunkt vor etwa 50.000 Jahren, starben die Neandertaler allmählich aus, während die Blütezeit des Homo sapiens erst begann. Zwischen beiden Arten war keine Kreuzung möglich, selbst wenn sie sich paarten. Die Neandertaler sollen ein größeres Gehirn besessen haben als der Homo sapiens. Warum ist die eine Art untergegangen und die andere hat sich weiterentwickelt, obwohl sie in der gleichen Umgebung lebten?
    Die Antwort ist die Sprache. Anders als der Homo sapiens hatte der Neandertaler keine genügend differenzierte Sprache entwickelt, um die materielle Welt zu beschreiben. Die Sprache war der Schlüssel bei dieser Wachablösung.
    Abschließend möchte ich noch eine weitere Hypothese anführen.
    Ob wir über das Entstehen des ersten Lebens sprechen, über das »Auge« genannte Organ oder über die Sprache – da allen gemeinsam ist, dass sie neue Informationen produzieren, kann auch in allen Fällen der gleiche Mechanismus am Werk gewesen sein. Dann wäre es sinnvoll, die Antwort auf die Frage nach der Entwicklung des Lebens auf der Erde in dem jüngsten der analogen Fälle zu suchen – im Spracherwerb. Einfach ausgedrückt ist es leichter für uns, etwas zu untersuchen, das 50.000 Jahre zurückliegt, als etwas, das vor 3,9 Milliarden Jahren passiert ist. Es ist unwahrscheinlich, dass wir die Wahrheit jemals finden, indem wir in irgendeinem Labor in der Ursuppe herumrühren.
    Wenn der gleiche Mechanismus für das Aussterben von Dinosauriern und Neandertalern verantwortlich war, ist die Frage, warum beide aussterben mussten.
    Die Entwicklung des Auges bereitete die Entwicklung des Gehirns vor. Es ist, als ob die Gehirnmasse dank des Auges einen Weg durch den Schädel gefunden hätte. Die visuelle Wahrnehmung äußerer Reize beschleunigte die weitere Evolution und führte schließlich zur Entwicklung eines Gehirns, das komplex genug war, um mit Sprache umzugehen.
    Das Aussterben der Dinosaurier bereitete die Weiterentwicklung der Säugetiere vor, was gleichbedeutend mit der Gehirnentwicklung ist. Dinosaurier sind Reptilien, die aus dem Ei schlüpfen. Säugetiere dagegen wachsen vor der Geburt einige Zeit in einer Gebärmutter heran. Dieser Unterschied ist entscheidend, da das Heranreifen in reichlich Fruchtwasser die Gehirnentwicklung begünstigt. Die Geburt durch Ausschlüpfen aus einem Ei setzt der Entwicklung des Gehirns von Reptilien von vornherein Grenzen.
    Der Schlüssel beim Übergang vom Neandertaler zum Homo sapiens war der Spracherwerb.
    Wir sehen, dass die Evolution zur Entwicklung eines Gehirns führte, das zum Sprachgebrauch in der Lage war. Wenn ein unerwünschtes Abschweifen von diesem Pfad drohte, fand eine Art Korrektur der Umlaufbahn statt. Die maßgebliche Kraft, die dabei im Hintergrund die Fäden zog, ist das Licht.
    Doch warum hat das Universum/Gott diesen Kurs so bestimmt, dass am Ende ein sprachfähiges Gehirn stand? Darauf gibt es nur eine Antwort: Das Universum/Gott hoffte, durch die Sprache – darunter auch die Sprache der Mathematik – beschrieben werden zu können. Ohne das konnte das Universum sich nicht weiter ausdehnen, sich entwickeln, wachsen.
    Von klein auf hat es mich immer erstaunt, dass wir unser Universum durch Zahlen beschreiben können. Wenn ein Naturphänomen schön beschrieben wird und den Konsens der gesamten DNA findet, belohnt einen das Universum gelegentlich durch Beweismaterial.
    Durch reine Denkleistung interpretierte Einstein in seiner allgemeinen Relativitätstheorie durch Materie und Energie entstandene Krümmungen in der Raumzeit als Gravitationsfelder. Vier Jahre nach Entstehen der Theorie zollte das Universum ihm seine Anerkennung, indem es zeigte, wie die Sonne bei einer Sonnenfinsternis über Westafrika das Licht krümmte. Sieben Jahre, nachdem Alexander Friedmann allein durch logisches Denken zu dem Schluss kam, dass das Universum dynamisch ist, wurde durch die Spektralanalysen Edwin Hubbles die Raumexpansion entdeckt: Je weiter man in den Weltraum schaut, desto schneller dehnt er sich aus. Die Entdeckung der Mikrowellenhintergrundstrahlung 1964 untermauerte ebenfalls Friedmanns Theorie. Nicht lange nachdem Dirac durch Berechnungen die Existenz der Antimaterie vorhergesagt hatte, produzierte das Universum Positronen für ihn.
    Wenn es in der Sprache der Mathematik beschrieben wird, verändert