Der Graben: Thriller (German Edition)
Bett zutaumelten. Harukos Hände erforschten die Brust ihres Vaters und hielten plötzlich inne. Als sie die dritte Brustwarze entdeckte, musste sie an ihren Mann denken. Die Brustwarze unter den Fingern zu spüren, wirkte wie ein Lustkiller, genau wie bei Hashiba, als er den Knoten in ihrer Brust entdeckt hatte.
Seiji hatte recht. Saeko war überrascht, wie einfach es war, die Verbindungen zwischen den einzelnen Ereignissen zu erkennen. Haruko musste erklärt haben, warum sie plötzlich innehielt. Sie hatte ihrem Vater ins Ohr geflüstert: »Mein Mann hat auch…«
Was, wenn die dritten Brustwarzen der beiden spiegelbildlich zueinander lagen? Wenn Kotas sich auf der rechten Seite befand, die von Saekos Vater auf der linken, was hatte er dann aus dieser Symmetrie geschlossen? Materie und Antimaterie – diese Wörter kamen Saeko in den Sinn, und sie war sich sicher, dass ihr Vater das Gleiche gedacht hatte.
Auch wenn sie die gleiche Masse und den gleichen Drall besaßen, trugen Materie und Antimaterie entgegengesetzte elektrische Ladungen. Waren ihr Vater und Kota irgendwie Spiegelbilder voneinander, erhielt man eine schmerzhafte Analogie. Harukos Enthüllung musste Saekos Vater in Erstaunen versetzt haben, ihn, für den Übereinstimmungen von Zahlen und Phänomenen niemals purer Zufall waren, sondern Zeichen einer höheren Macht.
Indem er sich in dieselbe Frau verliebt hatte wie Kota, hatte er von der Existenz seines Spiegelbilds erfahren. Er musste davon überzeugt gewesen sein, dass sich dahinter ein bedeutendes Geheimnis verbarg, das verheerende Folgen haben konnte, wenn man es ignorierte. Daher hatte er sofort gehandelt. Das war es also. Als ihr Vater an jenem Augusttag vor achtzehn Jahren nach Takato gekommen war, hatte er sich gar nicht mit Seiji auseinandersetzen wollen, sondern mit Kota.
»Es hat etwas mit Kota Fujimura zu tun.«
Als sie den Namen erwähnte, bekam Seiji einen Hustenanfall, der so heftig war, dass die Krücken auf seinem Schoss wackelten. »Bravo, Mädel. Allmählich kommst du in Fahrt.«
Doch er wollte immer noch, dass sie die Antwort selbst herausfand. Saeko versuchte sich vorzustellen, was als Nächstes geschehen war.
Es musste irgendwann nach zwei Uhr morgens gewesen sein, als sie endlich zum Haus der Fujimuras kamen. Was passierte dann? Hatte ihr Vater sich wegen des Dreiecksverhältnisses mit Kato gestritten? Ein schreckliches Bild schoss ihr durch den Kopf, und sie schauderte. Verbrechen aus Leidenschaft, ein eifersüchtiger Ehemann, der den Geliebten seiner Frau umbrachte, das geschah nicht so selten. Konnte es sein, dass Kota ihren Vater in jener Nacht getötet hatte? War ihr Vater ermordet und in den See geworfen worden? Den Gedanken konnte sie kaum ertragen, geschweige denn in Worte fassen, doch sie konnte nur weiterkommen, wenn sie fragte.
»War… hat Kota meinen Vater getötet?«
»Was für eine banale Antwort.« Seiji grinste voller Verachtung und schüttelte den Kopf.
Saeko spürte instinktiv, dass er die Wahrheit sagte. Kota hatte ihren Vater nicht umgebracht.
Was konnte sonst geschehen sein? Wenn es nicht zu Gewalttätigkeiten gekommen war, hatten die beiden vielleicht miteinander reden können. Saeko hatte sogar schon einige Anhaltspunkte für den Inhalt ihres Gesprächs. Sie erinnerte sich deutlich an die Worte, die sie während der Dreharbeiten gehört hatte, als sie die Hand auf den Terminkalender ihres Vaters auf dem Tisch vor sich gelegt hatte.
Wenn es das ist, was Sie wollen, na schön. Ich halte Sie nicht auf.
Damals hatte sie die Stimme nicht erkannt. Nun hatte sie endlich eine Ahnung, wem sie gehören konnte. Sie hatte zwar gründlich über die Familie Fujimura recherchiert, doch da alle verschwunden waren, hatte sie ihre Stimmen nie gehört.
Damals hatte sie angenommen, die Worte bezögen sich auf den Terminkalender. Nun aber, da sie sich die Szene zwischen ihrem Vater und Kota vorstellen konnte, wurde ihre Bedeutung klar.
Vielleicht lag es daran, dass sie den Klang der Stimme mit ihrem Sprecher in Verbindung gebracht hatte – plötzlich liefen die Ereignisse vor ihr ab, als wäre ein Damm gebrochen. Ihr Vater hatte Kota in diesem Zimmer gegenübergestanden. Der Schrank, der Tisch, die Stühle und alles im Raum regten jetzt ihre Fantasie an, und in ihrem Kopf entspann sich ein Gespräch.
Es war schon spät, zwei oder drei Uhr morgens. Haruko war nicht bei den beiden Männern; vielleicht war sie schon schlafen gegangen. Kota war im Wohnzimmer,
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