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Der Graben: Thriller (German Edition)

Der Graben: Thriller (German Edition)

Titel: Der Graben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kôji Suzuki
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heißt es, die verschwundene Person wäre von einem tengu entführt oder von einem Fuchs überlistet worden… Meiner Meinung nach verschwinden jedoch die meisten Menschen aus freien Stücken oder durch einen Unfall. Wenn junge Bräute am Vorabend ihrer Hochzeit verschwanden, sind sie wahrscheinlich einfach weggerannt, um der Ehe zu entkommen. Manchmal wird auch geglaubt, die Betroffenen wären in eine andere Welt verschwunden. Denken Sie zum Beispiel an das Volksmärchen von Urashima Taro.«
    Hashiba nahm die Rolle des aufmerksamen Zuhörers ein, der Saeko hin und wieder durch Zwischenfragen anspornte, während sie ihn mit detaillierten Beispielen von Geschichten über verschwundene Personen unterhielt, von Legenden bis hin zu zeitgenössischen Fällen des Verschwindens ganzer Gruppen von Menschen. Außerdem klärte sie ihn über besondere Methoden zur Aufklärung von Vermisstenfällen auf.
    »Dieser Fall jedoch entspricht keinem bisher bekannten Muster«, schloss Saeko.
    »Die Einheimischen nennen ihn einen modernen Fall von kamikakushi .«
    »Natürlich. Immer wenn jemand auf mysteriöse Weise verschwindet, nennen die Leute es so.«
    »Wie unterscheidet der Fall sich von bisherigen Mustern?«
    »Wie soll ich es ausdrücken? Das Ganze erinnert mich an einen Zaubertrick. Irgendeine irrwitzige Sinnestäuschung…«
    »Eine Sinnestäuschung? Wie wenn ein Magier auf der Bühne eine Person verschwinden lässt?«
    »Genau. Ich habe schließlich gesehen, wie es im Haus der Fujimuras aussah. Es war klar, dass die Familie im Bruchteil einer Sekunde verschwunden ist.«
    »Aber in Zaubervorführungen steckt immer irgendein Trick hinter der Sache.«
    »Ja. Ich weiß nicht, was es war. Nach all meinen gründlichen Ermittlungen kann ich nur zu dem Schluss kommen, dass ich es nicht verstehe.«
    Hashiba hörte aufmerksam zu. Es war offensichtlich, dass sie eine Menge über Vermisstenfälle wusste und dass ihr Wissen auf Erfahrung beruhte.
    »Und Sie sind als Journalistin nicht auf Vermisstenfälle spezialisiert?«, erkundigte er sich.
    »Überhaupt nicht. Dies war mein erster Artikel darüber.«
    »Sie scheinen sich aber außergewöhnlich gut auszukennen.«
    »Ich habe mich schon vorher damit befasst. Daher hat es sich auch ergeben, dass ich diese Story übernehme.«
    Hashiba legte den Kopf schräg. Er war sich nicht sicher, was Saeko meinte, doch sie schlug die Augen nieder und ignorierte seine fragende Miene. Ihr war ganz und gar nicht danach, über die traumatischen Erlebnisse aus ihrer Teenagerzeit zu sprechen. Selbst jetzt noch musste sie die größte Selbstbeherrschung aufbringen, damit der Klumpen in ihrer Brust sie nicht um den Verstand brachte. Selbst nach achtzehn Jahren war der Schmerz in ihrem Herzen sofort wieder da.
    Diesmal entging Hashiba der Ausdruck in Saekos Gesicht.
    »Erzählen Sie mir nicht, dass Sie als Kind von zu Hause weglaufen wollten oder so?«, scherzte er.
    Saeko brachte es nicht fertig zu lächeln – von zu Hause weglaufen bedeutete, von seinen Lieben getrennt zu sein. Wie hätte sie je an so etwas denken können? Das wäre, als hätte sie sich mit voller Absicht in die grauenvollste Einsamkeit gestürzt.
    Saeko spürte vertraute Gefühle in sich aufsteigen. Eine Stimme in ihrem Kopf drängte sie, nach vorn zu schauen, doch eine Gefühlswelle nach der anderen riss ihr Bewusstsein von der Gegenwart fort. Sie war nicht mehr in der Lage, das Gespräch weiterzuführen. Es war, als sänke sie in einen dunklen Abgrund, abgeschnitten vom Rest der Welt. Hashibas Worte gingen einfach durch sie hindurch, ohne im Vorbeiziehen irgendeine Bedeutung in ihrem Kopf zu hinterlassen.
    Hashiba wunderte sich über Saekos plötzliche Verwandlung. Sie war eindeutig verletzt durch irgendetwas, was er gesagt hatte, und er bemühte sich, das Gespräch wieder auf Kurs zu bringen, indem er ihr die vorgesehenen Drehtermine für das Projekt mitteilte.
    Saeko merkte, wie seine Worte bei ihr zum einen Ohr hinein- und zum anderen wieder hinausgingen. Nur ein paar blieben ihr tiefer im Gedächtnis.
    »In zehn Tagen… Das Filmteam… Drehbuch… Shigeko Torii…«
    Sie gab keine Antwort.
    Jetzt geht es wieder los.
    Sie spürte, wie die Gegenwart verblasste und die Vergangenheit sie überschwemmte. Im Geiste hörte sie unzählige Dinge, die ihr Vater in ihrer Kindheit zu ihr gesagt hatte, die immer noch voller Wärme waren. Dann versanken sie wieder in Vergessenheit. Als der Kummer sie überwältigte, verschwamm die Umgebung um sie

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