Der Graben: Thriller (German Edition)
erteilt.
Bei ihrer ersten Begegnung war Toshiya ein pummeliger kleiner Sechstklässler gewesen. Später half Saeko dem Jungen auf Wunsch Kitazawas bei der Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung zur Highschool, und Toshiya bestand die Prüfung an seiner Wunschschule.
Damals war Saeko auf dem College. Dabei stützte sie sich auf das, was ihr Vater ihr beigebracht hatte, und legte einen Schwerpunkt auf die Fächer Englisch, Mathe und Physik. Dieser Geschichte hatte Toshiya es teilweise zu verdanken, dass er schließlich in den Technikzweig einer japanischen Universität rutschte, an der er später Informationstheorie studierte. Bei der Vorbereitung auf die Aufnahmeprüfung zur Universität hatte Saeko ihm nicht geholfen, wohl aber verhalf sie ihm zu Bestnoten in Mathe und Physik.
Als Toshiya im zweiten Jahr an der Highschool war, ein Jahr vor dem Examen, gab sie den Job als seine Nachhilfelehrerin auf. Kitazawa senior gegenüber behauptete sie, sie wäre zu sehr mit der Jobsuche beschäftigt. Der tatsächliche Grund war jedoch, dass Toshiya in den Winterferien jenes Jahres versucht hatte, sie zu vergewaltigen.
Toshiyas Eltern waren fort gewesen, auf Geschäftsreise. Saeko hatte in Toshiyas warmem, gemütlichem Zimmer zwei Stühle nebeneinander aufgestellt und sich mit einem Blatt voller Physikaufgaben hingesetzt, die Toshiya lösen sollte. Sie merkte nicht, dass er mit den Gedanken woanders und gar nicht in der Lage war zu lernen.
Er sah ganz durcheinander aus und schien über irgendetwas zu brüten. Unter unverständlichem Gemurmel hob er ständig den Blick vom Arbeitsblatt, um tief durchzuatmen. Dann begannen seine Lippen zu zittern und er schüttelte sich ein paarmal heftig wie ein Hund, der aus einem Fluss kommt und sich trocken schüttelt. Erst jetzt bemerkte Saeko die Veränderung an Toshiya. Selbst von der Seite konnte sie erkennen, dass sein ganzer Körper starr vor Anspannung war. Er schien zwischen Zögern und Wollen zu schwanken. Gerade als er kurz vor einer Entscheidung war, durchzuckte Saeko heftiges Misstrauen, und sie rutschte rasch auf ihrem Stuhl zurück. In diesem Moment schien in Toshiya etwas überzuquellen; mit blutunterlaufenen Augen starrte er sie unverwandt an und packte sie mit beiden Händen an den Schultern.
»Tut mir leid, Sensei… Ich halte es nicht mehr aus.«
Was?!
Saeko versuchte, sich loszureißen, doch es war zu spät. Toshiya stieß sie auf das Bett hinter ihr und schob sich auf sie.
Durch das Körpergewicht von fast achtzig Kilo, die ihr plötzlich Brust und Bauch einquetschten, bekam Saeko keine Luft mehr. Normalerweise war Toshiya sehr langsam, doch jetzt bewegte er sich ungewöhnlich flink, und für einen Moment war Saeko so verwirrt, dass sie nicht einmal schreien konnte.
Toshiya brachte seinen Mund an Saekos Ohr und raunte: »Sensei… Ich halte es einfach nicht mehr aus. Ich bin so verrückt nach dir. Das ist okay, oder?«
»W-warte…«
Doch genau das hatte Toshiya natürlich nicht vor. Er schob Saekos Rock hoch und zerrte an ihrem Slip.
In Saekos Kopf brannte eine Sicherung durch, und alle Farben im Raum hörten auf zu existieren. Das Neonlicht an der Zimmerdecke war ein leuchtender Ring hinter ihren Augenlidern, doch der Schein wurde schwächer und schwächer. Sie hatte nur noch das Bedürfnis zu fliehen. Der Wunsch, sich zu befreien, war stärker als jedes Gefühl von Furcht oder Wut. Wenn sie diesem riesigen Fleischklops, der sie niederdrückte, nicht irgendwie entkommen konnte, würde sie jeglicher Menschenwürde beraubt werden. Saeko rollte sich wie eine Krabbe zusammen, drehte sich um und versuchte, sich wieder zu strecken. Doch das Gewicht von Toshiyas weichem Körper zwang sie nieder und behinderte ihre Bewegungen. Niedergedrückt, bewegungsunfähig, erniedrigt – dies war nicht der Moment, um ihren Ärger herunterzuschlucken. Saeko ließ ihre ganze Wut heraus. Sie biss die Zähne zusammen und versuchte, das Kinn gegen Toshiyas Kopf zu rammen, doch sie kam nicht an ihn heran. Als sie endlich eine Hand unter seinem Körper herausgewunden hatte, krallte sie sich in Toshiyas ungeschütztes Kinn und biss ihn kräftig in den Oberarm.
Toshiya heulte auf und zuckte mit dem Oberkörper zurück, sodass zwischen ihren Körpern Platz entstand und Saeko eine kurze Atempause bekam. Sie nutzte die Gelegenheit, um sich zur Seite zu drehen und Toshiya durch den so gewonnenen Schwung die Faust ans Kinn zu schmettern. Da dieser sowieso schon das Gleichgewicht verloren
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