Der Graben: Thriller (German Edition)
Detektive nur zu dem Ergebnis, dass die Spur von Saekos Vater am 21. August 1994 im Sande verlaufen war.
8
Achtzehn Jahre zuvor hatte Kitazawa auf dem Sofa gegenüber von Saeko gesessen, der Tisch zwischen ihnen, und hatte ihr den Bericht über die zehntägigen Ermittlungen des Teams gezeigt. Es war das gleiche Büro gewesen, in dem sie heute saßen, auch wenn der Aschenbecher, der damals auf dem Tisch gestanden hatte, nicht mehr benötigt wurde.
In dem Bericht hatte ganz offen gestanden, dass Kitazawa das Handtuch werfe. Es schmerzte ihn zutiefst, doch der Fall eines Alleinreisenden, der ohne ersichtlichen Grund auf mysteriöse Weise verschwand, war schwieriger als alle anderen Arten von Vermisstenangelegenheiten.
Die Ermittler hatten lediglich bestätigt, dass Shinichiro Kuriyama in der Nacht des 21. August im N-Hotel am Flughafen von Narita abgestiegen war. Ansonsten konnten sie nicht sagen, ob er überhaupt in Takamatsu angekommen oder woanders hingefahren war. Das Wort »unbekannt« tauchte in dem Bericht wiederholt auf.
Er hasste es, Saeko dies sagen zu müssen, doch Kitazawa hatte das Gefühl, dass Kuriyama nicht mehr unter den Lebenden war. Bei der Arbeit an einem Fall hatte er manchmal eine plötzliche Eingebung, die ihm sagte, dass die gesuchte Person nicht mehr existierte. Und oft dauerte es dann nicht mehr lange, bis die Leiche gefunden wurde. Abgesehen von Unfällen handelte es sich meist um Selbstmord. Bei solchen Aufträgen waren die Kunden in der Regel panisch und wollten, dass die vermisste Person so schnell wie möglich gefunden wurde, um die Tragödie noch abzuwenden.
Fünf Jahre nach Eröffnung seiner Detektei sollte Kitazawa einen Mann auffinden, der vor Scham am Boden zerstört gewesen war, weil er seine Firma durch einen Fehler am Arbeitsplatz in erhebliche Schwierigkeiten gebracht hatte. Eines Tages war der Mann einfach nicht bei der Arbeit erschienen und ziellos umhergestreift, bevor er wahllos in einen Zug nach Norden stieg.
Der Mann hinterließ eine Frau und zwei kleine Kinder. Wer ihn kannte, berichtete, er sei stets bescheiden und zurückhaltend gewesen. Kitazawa wurde den Gedanken nicht los, dass die Unfähigkeit des Mannes, mit dem Fehler fertig zu werden, ihn diesen so ernst nehmen ließ, dass er zu einer feigen Reaktion verleitet wurde.
Nachdem der Ernährer der Familie verschwunden war, hatte seine Frau den Weg in Kitazawas Büro gefunden und ihn unter Tränen um Hilfe angefleht. »Bitte, finden Sie meinen Mann. Wenn Sie ihn nicht bald finden, bringt er sich um!« Von unterwegs hatte der Mann zu Hause eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, in der er nicht ausschloss, dass er sich das Leben nehmen würde.
Am siebten Tag seiner Ermittlungen hatte Kitazawa seine Zielperson in Sendai aufgespürt. Der Mann hatte fast kein Geld mehr und wanderte gerade ziellos umher auf der Suche nach einem geeigneten Platz, um sich umzubringen.
Kitazawa zwang ihn zur Rückkehr zu seiner Frau, die außer sich vor Freude zu weinen begann. Sie war ihm so dankbar, dass Kitazawa selbst zu Tränen gerührt war.
Die Befriedigung, die der Beruf des Privatdetektivs mit sich brachte, schwankte erheblich, je nachdem, ob die Ermittlungen erfolgreich waren oder nicht, auch wenn die Bezahlung mehr oder weniger dieselbe war. All das gehörte dazu.
Als er sich darangemacht hatte, Saekos Vater zu finden, stellte Kitazawa sich vor, wie sie sich freuen würde, wenn es ihm gelänge, und das trieb ihn dazu an, alles in seiner Macht Stehende zu tun. Doch der Fall war unlösbar. Seltsamerweise waren die Umstände anders als in jedem anderen Fall, der ihm bisher untergekommen war.
Es gab keinen der Hintergründe, die normalerweise hinter einem Vermisstenfall stecken – Schulden, eine Liebesaffäre, Verstrickungen in kriminelle Machenschaften – und die als Motiv für ein absichtliches Untertauchen der Person dienen konnten. Kitazawa konnte sich nur vorstellen, dass Saekos Vater durch einen bizarren Unfall auf dem Grund eines Flusses oder am Fuß einer steilen Klippe gelandet oder vielleicht zum willkürlichen Opfer einer Straftat geworden war. Beides bedeutete das Gleiche. Falls Saekos Vater nicht irgendwo gefangen gehalten wurde, war es unwahrscheinlich, dass er noch lebte.
Hinzu kam, dass Shinichiro Kuriyama Saeko, sein einziges Kind, abgöttisch liebte. Dadurch, dass sie so ein enges Verhältnis zueinander hatten, war Saeko überhaupt so früh aufgefallen, dass er verschwunden war. Aufgrund von
Weitere Kostenlose Bücher