Der Graben: Thriller (German Edition)
hatte, taumelte er durch diesen Volltreffer vom Bett. Mit einem dumpfen Aufprall landete er auf dem Boden.
Sobald sie frei war, zerrte Saeko ihren Slip hoch und zog den Rock zurecht. Dann kniete sie sich aufs Bett und starrte zornig zu Toshiya hinunter. Außer sich vor Wut, Angst und dem Gefühl der Demütigung fehlten ihr die Worte, um ihn anzuschreien. Stattdessen fixierte sie ihn einfach mit einem Blick voller Verachtung. Dann brach sie plötzlich in Tränen aus.
»Hab ich irgendwas getan?«, fragte sie schluchzend. Ihr erster Gedanke war, dass sie irgendwie an allem schuld war.
Toshiya rollte sich auf dem Teppich herum und rieb sich mit verständnisloser Miene das Kinn. Sein weißer Slip hing zusammen mit seiner Jogginghose in einem Knäuel an seinen Knien, und sein erigierter Penis ragte heraus, immer noch halb von der Vorhaut verdeckt. Doch er schrumpfte zusehends, wie ein selbstständiges Wesen, das von seinem Hauptkörper abgetrennt ist. Toshiya begann zu weinen. Natürlich war Saeko außer sich, doch auch Toshiya wurde nun von fürchterlicher Reue gepackt.
»Tut mir leid, Sensei…«, sagte er mit erstickter Stimme und vergrub hustend das Gesicht in den Händen. Es war lächerlich, doch das Bedürfnis, sein Gesicht zu verbergen, war größer als das, seine Lenden zu bedecken. Saekos radikale Zurückweisung hatte seine naive, egoistische Verblendung zunichtegemacht.
Wahrscheinlich hatten Toshiyas nichtsnutzige Schulfreu nde ihm den Floh ins Ohr gesetzt, dass Frauen auf Männer stünden, die mit Gewalt zur Sache kämen. Da er keinerlei Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht hatte, stammten seine abstrusen Vorstellungen davon, wie Frauen funktionie rten, ausschließlich von den irrigen Theorien seiner ebenso unwissenden Kumpels. Vielleicht hatten sie sich auch über ihn lustig gemacht, weil er noch unberührt war, und es war ihm unmöglich gewesen zu kneifen. Hinter den ungeheuerlichsten Aktionen von Teenagern steckte meist, dass sie die Gleichaltrigen beeindrucken wollten.
Saeko war schon eine junge Erwachsene und hatte keinen Draht mehr zum Gefühlschaos eines Pubertierenden. Für sie war Toshiya immer noch der Sechstklässler, als den sie ihn kennengelernt hatte. Sie wäre nie auf die Idee gekommen, dass der heranwachsende Toshiya in sie verknallt sein könnte. Sicher hatte es Anzeichen dafür gegeben, doch dadurch, dass er in ihren Augen immer noch ein Kind war, hatte sie diese nicht erkannt. Hätte sie nur etwas bemerkt, dann hätte sie die Katastrophe frühzeitig abwenden können, ohne Toshiya dieser Schmach auszusetzen.
Auch wenn sie also beide Fehler gemacht hatten, änderte das nichts daran, dass ihr geschwisterliches Verhältnis zueinander völlig kaputt war. Auch nach Toshiyas Entschuldigung blieb die Atmosphäre zwischen ihnen gespannt.
Wenn Saeko nur wüsste, wie Toshiya mit seiner Schmach fertiggeworden und daran gewachsen war, könnte sie vielleicht eine neue Beziehung zu ihm aufbauen. Toshiya war nicht größer als damals auf der Highschool, und auch an seinem Gewicht hatte sich nicht viel geändert. Selbst mit neunundzwanzig Jahren hatte er noch immer eine babyzarte Haut. Sein Sexappeal war nach wie vor gleich null – möglich, dass er immer noch unberührt war.
Saeko merkte, dass sie Toshiya unwillkürlich mit ihrem Exmann verglich. Im Gegensatz zu Toshiya war dieser irgendwie ein Frauentyp gewesen, doch Saekos Beziehung zu beiden war nicht gut ausgegangen. Nachdem sie kürzlich der Ursache für das Scheitern ihrer Ehe auf den Grund ge gangen war, ließ sie erneut die Frage nicht los, ob eine kaputte Beziehung gekittet werden konnte oder nicht.
»Wie läuft’s mit deiner Dissertation, Toshiya?«, erkundigte sie sich und schüttelte das Bild ab, das sie immer noch vor Augen hatte.
»Ganz gut.«
Saeko hatte von Kitazawa erfahren, dass Toshiya sein Studium an der gleichen Universität abgeschlossen hatte. Nun arbeitete er in der Detektei und schrieb parallel dazu seine Dissertation. Er hoffte, eine Anstellung an der Universität zu ergattern, doch es gab noch andere Doktoranden, und selbst um befristete Stellen war der Konkurrenzkampf groß. Gleichzeitig waren seine Fähigkeiten als Informationstheoretiker bei »Man Search« sehr gefragt. Es gibt keine Information, die mein Junge nicht bekommt , prahlte Kitazawa.
»Apropos, da ist etwas, das ich dich fragen wollte«, sagte Saeko. »Welcher Zusammenhang besteht zwischen Informationstheorie und Schwarzen Löchern?«
Beides waren
Weitere Kostenlose Bücher