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Der Graben: Thriller (German Edition)

Der Graben: Thriller (German Edition)

Titel: Der Graben: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kôji Suzuki
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Saeko erinnerte sich, dass der Wetterbericht eine kalte Nacht vorhergesagt hatte. Das bedeutete, dass es schon vor Sonnenuntergang sehr frisch werden konnte.
    Die Sonnenstrahlen schienen auch auf das obere Stockwerk des Hauses und spiegelten sich in den Fenstern. Hinter den Scheiben waren die Gardinen aufgezogen, sodass die Sonne voll in die Zimmer scheinen konnte. Saeko erinnerte sich, dass bei ihrem letzten Besuch die oberen Schiebefenster geschlossen und die Spitzengardinen zugezogen gewesen waren.
    Ich bin schon einmal in dem Haus gewesen.
    Als sie im Sommer gekommen war, hatte sie keinerlei Hinweise oder Spuren entdeckt, doch alles war ihr seltsam bekannt vorgekommen. Aus irgendeinem Grund hatte der Anblick des Hauses nostalgische Gefühle in ihr geweckt, wie wenn man zum Haus seiner Kindheit zurückkehrte.
    Als ich das letzte Mal hier war, hat er mich durch das Haus geführt.
    »Hier entlang«, hatte Seiji gesagt und sich extra dicht neben Saeko gehalten, während er sie durch die Zimmer mit den geschlossenen Gardinen führte.
    »Saeko, Sie müssen nicht so förmlich zu mir sein.« Bisher hatte Seiji sie Kuriyama genannt, doch nun wechselte er zu ihrem Vornamen. Als das Geklimper der Schlüssel sie in die Gegenwart zurückholte, merkte Saeko plötzlich, dass Seiji mit einem einzelnen Schlüssel vor ihrem Gesicht herumwedelte. Der Schlüssel lag auf seiner geöffneten Handfläche, die er ihr nun fast direkt unter die Nase hielt. »Hier, nehmen Sie«, sagte er.
    Saeko angelte den Schlüssel von seiner Hand und achtete darauf, dabei keinesfalls seine Haut zu berühren. »Ich sorge dafür, dass Sie ihn von jemandem aus dem Filmteam zurückbekommen«, versprach sie.
    »Nicht nötig. Ist ein Ersatzschlüssel. Sie können ihn behalten«, bot Seiji an.
    Beim bloßen Gedanken, zu Seiji eine Art Beziehung zu haben, in der man dem anderen einen Ersatzschlüssel überließ, wurde es Saeko so schlecht, dass sie beinahe ohnmächtig wurde. Dennoch hatte sie nicht vor, das Angebot abzulehnen. Ein Ersatzschlüssel zum Haus der Fujimuras war ein großer Vorteil. Wenn sie noch einmal zum Filmen zurückkommen mussten, konnte sie ins Haus gelangen, ohne mit Seiji zu sprechen.
    Sie ließ den Schlüssel in ihre Handtasche fallen. Am liebsten hätte sie ihn zuerst in ein Taschentuch gewickelt, doch das ging in diesem Augenblick nicht.
    11
    Zum zweiten Mal trat Saeko über die Schwelle zum Haus der Fujimuras.
    Als die Haustür sich öffnete, waberte ein Geruch nach Erde und Lederschuhen heraus. Jedes Haus hat seinen eigenen Geruch, genau wie jeder Mensch, doch dieser war besonders stark. Beim letzten Mal war es Saeko nicht so aufgefallen, doch als heute die Tür aufging und der Geruch sie einhüllte, hielt sie sich unwillkürlich die Hände vor die Nase.
    Shigeko Torii hielt in der Haustür inne und starrte auf die Fußmatte an der Schwelle, auf die sie traten, nachdem sie die Schuhe ausgezogen hatten. Saeko und Hashiba beobachteten sie ruhig von hinten und passten auf, dass sie nicht vor eine Kamera liefen. Im Bereich direkt hinter der Tür, wo die Schuhe ausgezogen wurden, standen zwei Paar Akupressur-Sandalen ordentlich nebeneinander, ganz im Gegensatz zu zwei Paar Kinderturnschuhen, die verstreut umherlagen. Direkt unter der Schuhbank entdeckte Saeko zwei Paar staubige traditionelle Holzsandalen. Von jeder Art Schuhe waren zwei Paar vorhanden, aber Lederschuhe oder Damenpumps waren nicht zu sehen.
    Torii zog die Schuhe aus und trat ins Haus, geradewegs in den Korridor. Die Kameras folgten ihren Bewegungen. Es war nicht abgesprochen, wie sie sich verhalten oder wie sie reagieren würde, und sie war zum ersten Mal hier. Die Sonne war hinter einer Wolke verschwunden, doch der Tag war klar und sehr trocken gewesen. Dennoch war die Luft im Haus klamm, und der Boden knarrte unter jedem Schritt Toriis, als ob er feucht wäre.
    Nun würden die Fähigkeiten der viel gepriesenen Hellseherin auf die Probe gestellt. Auf der Zugfahrt von Tokio nach Chino hatte Saeko schon eine Seite von Toriis ungewöhnlichen Kräften kennengelernt und war beeindruckt gewesen. Auch wenn die alte Frau nicht bis zum Kern der Tragödie vorgedrungen war, die Saeko vor langer Zeit erlebt hatte, so hatte sie doch deren Grundzüge richtig erkannt. Saeko war noch nicht hundertprozentig überzeugt, aber schon etwa zur Hälfte, und sie war bereit, mehr zu sehen. Wenn es Torii gelang, intuitiv einen Aspekt dieses Vermisstenfalls genau zu benennen, würde sich Saeko

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