Der Grabritter (German Edition)
Schulter und musste ihre Tränen zurückhalten. »Ist schon gut, Papa, aber bitte nur einen Brandy und nur eine Zigarre, versprochen?« Ein leises Lächeln legte sich auf das Gesicht Donatellos. »Versprochen Bice, versprochen.«
Bice stand auf und stemmte die Arme in die Hüften. »Sag mal Papa, hast du Victor Baranow heute Morgen schon gesehen? Ich habe ihn überall gesucht.« Der Blick des Conte wanderte wieder zu dem erloschenen Kamin. »Ja, er war heute ganz früh schon hier unten. Er lässt sich entschuldigen. Ein dringender Geschäftstermin hat ihn gezwungen, sofort abzureisen. Guiseppe hat ihn zum Flughafen gefahren. Er wird sich sicher bald wieder melden.« Bices Arme fielen herunter. Sie sah ihren Vater an. »Das kann ich nicht glauben, Papa. Victor hätte sich von mir verabschiedet, wenn er plötzlich weggemusst hätte.« Der Conte drehte seinen Kopf zu Bice.
In den schwarzen Augen war nichts als Leere. »Vielleicht kennst du diesen Victor nicht so gut, wie du glaubst. Eines solltest du gelernt haben. Die einzigen Menschen, denen du vertrauen kannst, sind die, in deren Adern das Blut der Vigianis fließt. Ich rate dir also, vertraue mir und vertraue deinem Bruder, dann kann uns niemals etwas passieren.« In Bice keimte plötzlich ein schrecklicher Verdacht auf. »Ist es wegen des Bildes, Papa? Ist es das? Wollt ihr das Geld nicht bezahlen. Einhundertzwanzig Millionen Dollar, das ist schon eine gewaltige Summe.« Zorn trat in die Augen des Conte. »Nein, meine Liebe, wir hatten niemals vor, den Mann um das Geld zu betrügen. Ich pflege mich an geschäftliche Abmachungen zu halten. Solange sich meine Partner als ebenso korrekt erweisen, ist alles in Ordnung, und nun möchte ich dich bitten, mich alleine zu lassen. Ich brauche ein bisschen Ruhe.« Bice warf ihrem Vater einen verständnislosen Blick zu. Dann verließ sie das Zimmer.
Trotz der Worte ihres Vaters beschlich Sie ein ungutes Gefühl, das sich immer mehr verstärkte. Hier stimmte etwas nicht. Sie war sich vollkommen sicher, dass Victor nicht einfach so verschwunden wäre. Oder sollte sie sich tatsächlich so in ihm getäuscht haben? Nein, das war nicht möglich. Sie ging noch einmal zu dem Zimmer, in dem die drei Kunstexperten immer noch mit dem Gemälde beschäftigt waren. »Entschuldigen Sie, meine Herren. Dürfte ich fragen, wie weit Sie mit Ihren Untersuchungen sind? Gibt es Probleme?«
Die drei wandten sich erstaunt um. Etwas verdutzt antwortete einer von ihnen. »Nein, es gibt keine Probleme. Die einzelnen Analysen brauchen eben ihre Zeit. Ich denke aber, dass wir bald zu einem Ergebnis kommen. Es weist jedenfalls bisher nichts darauf hin, dass es sich bei dem Bild um eine Fälschung handelt.« Bice lächelte die Männer kurz an. »Dann bitte entschuldigen Sie nochmals. Ich wollte Sie nicht in Ihrer Arbeit stören.« Bice ging zurück und nahm sich in der Eingangshalle eine Jacke aus der Garderobe. Dann verließ sie das Haus und lief zum Unterstand.
Auf dem Weg sah sie hinüber zum Springbrunnen. Jupiter und Tacita waren nicht da. Tagsüber hielten sie sich fast immer dort auf. Als sie an der Holzhütte der beiden vorbeikam, bemerkte sie auch, dass die beiden Fressnäpfe noch nicht angerührt wurden. Bice holte das Electro-Cart heraus und begann, das Gelände abzusuchen. Sie fuhr zu dem Platz, wo sie mit Victor zum Tontaubenschießen war, aber auch hier fand sich keine Spur von ihm. Sie überlegte einen Augenblick, dann drehte sie um und fuhr in die Richtung des alten Jagdhauses. Als sie auf der Lichtung ankam, sah sie die zwei Wachmänner, die ihr entgegengingen. Bice hielt neben ihnen an. »Guten Morgen. Habt ihr vielleicht unseren Gast, Mr. Baranow hier gesehen?« Die beiden Männer sahen sich kurz an und schüttelten dann die Köpfe. »Nein Contessa, hier war niemand.«
Bice stieg von dem Electro-Cart und wollte hinüber zum Jagdhaus gehen. Einer der beiden Wachmänner stoppte sie. »Tut mir leid, Contessa. Strikte Anordnung Ihres Bruders. Heute Abend findet hier eine wichtige Versammlung statt. Aus Sicherheitsgründen darf niemand mehr das Gelände betreten.« Bice funkelte den Wachmann mit ihren Augen an. »Ich bin Bice de Vigiani. Wollen Sie mir vielleicht sagen, ich wäre ein Sicherheitsrisiko?« Der Wachmann senkte verlegen den Kopf. »Contessa, das will ich natürlich nicht, aber Sie kennen doch Ihren Bruder ganz genau. Wenn wir seine Anordnungen nicht aufs Wort befolgen, dann ... ! Also bitte, machen Sie
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