Der Grabritter (German Edition)
herrschte eine seltsame, geisterhafte Stille.
Kerners Herz raste auf Hochtouren. Näher und näher klangen die Stimmen und Geräusche, auf die er zulief. Immer weiter kämpfte er s ich durch dichtes Gestrüpp und über in der Dunkelheit kaum auszumachende Baumwurzeln. Unendlich erschien ihm der Weg. Doch dann, als er s ich s einem Ziel schon ganz nahe glaubte, wurde es plötzlich still. Kerner blieb stehen. Nichts, kein Laut war mehr zu hören.
Angestrengt lauschte er in die Stille hinein. In unmittelbarer Nähe sah er mit einem Mal den Schein von Fackeln. Dann ertönte die Stimme eines einzelnen Mannes. Laut und deutlich hörte Kerner sie. Es war die Stimme von Marquart. V orsichtig ging Kerner weiter und erreichte den Waldrand. Er sah die Menschen dort mit ihren Fackeln bewegungslos am Ufer stehen und er sah Marquart, der jetzt ungefähr in der Mitte eines Flusses schwamm und wütende Drohungen in Richtung des Ufers ausstieß. G erade wollte Kerner zum Fluss herunter laufen und Marquart hinterher springen, als er plötzlich am anderen Ufer eine Bewegung in dem brackigen Wasser wahrnahm. Dann war nichts mehr zu sehen. Nur ein paar seichte Wellen zogen dort am anderen Ufer ihre Kreise. Marquarts Wutanfall brach jäh ab. Er spürte plötzlich, dass diese Menschen nicht so reglos dort am Ufer standen, weil sie Angst hatten. Nein, hier spielte sich etwas ganz anderes ab. Nervös drehte er sich im Wasser um. Nichts war zu sehen. Als er den Blick wieder zu den Dorfbewohnern wendete, war es plötzlich genau hinter ihm. Er spürte die Bewegung im Wasser. Direkt neben Marquart tauchte der Kopf eines riesigen Leistenkrokodils aus dem Wasser auf und schoss auf ihn zu. Das weit geöffnete Maul umspannte seinen Oberkörper. Mit ungeheurer Wucht klappten die gewaltigen Kiefer zusammen. Das Blut schoss Marquart in den Kopf und sein Gesicht nahm eine purpurne Farbe an. Die Augen schienen aus den Höhlen heraus zu treten. Ein einziger gewaltiger Ruck. Marquarts massiger Körper wurde wie eine Puppe unter Wasser gerissen. A n der Stelle, an der er in die Tiefe gezogen wurde , entstand eine schaumige Gischt. Einige Sekunden lang passierte nichts mehr. Dann wurde das Wasser erneut aufgewirbelt und Marquarts Kopf erschien an der Oberfläche. Kerner hatte den Eindruck, als würde n die Augen ihn geradewegs anstarren. Die mächtigen Kiefer des Krokodils fassten nach. G nadenlos wurde Marquart zurück unter die Wasseroberfläche ge holt . Die Wellen schlugen über ihm zusammen und das Wasser färbte sich im Schein der Fackeln dunk e l. D er Spuk war vorbei und Kerner konnte nicht umhin, dieses furchtbare Ende Marquarts als gerecht zu empfinden. Er dachte an Christa und ihren Sohn und an die wehrlosen Kinder aus dem Kongo, die alle Opfer dieses Monsters geworden waren. Ja, es gab für ihn keinen Zweifel. Ohne Marquart war diese Welt besser dran. Kerner fühlte s ich von einer schweren Last befreit. S eine Aufgabe war er füllt.
Unten am Ufer drehten sich die Dorfbewohner wortlos um und wollten den Rückweg zu ihrem Dorf antreten. Einer von ihnen entdeckte Kerner und stieß einen Warnschrei aus. Sofort liefen ein paar der Männer zu ihm und hielten ihn fest. Kerner wehrte s ich nicht. Einer der Männer leerte s eine Taschen. E ine Frau kam nach vorne und sah sich die Sachen an . Neben Kerners Ausweispapieren fand sie einen Steckbrief von Marquart. Sie schaute Kerner an. » Ich habe eine Freundin, die lange in Ihrem Land war. Ich kenne daher ein wenig Ihre Sprache. Ich verstehe diese Papiere und kann mir denken , warum S ie hier sind. « Sie erklärte den a nderen Dorfbewohnern die Zusammenhänge. N achdem diese begriffen hatten, dass Kerner kein Freund des Sängers gewesen war, sondern ein Kommissar einer ausländischen Behörde, der ihn verfolgt hatte, ließen sie ihn los.
Als die Frau Kerner die Papiere zurückgeben wollte, fiel ihr Blick auf ein Bild von Bice. Sie zeigte mit den Fingern darauf. » Was ist mit dieser Frau? « , fragte sie vorsichtig. Kerner sah sie verwundert an. O ffen antwortete er . »I ch suche sie, und ich werde ni cht aufgeben, bis ich sie gefunden habe. Ich habe ihr sehr wehgetan und würde alles dafür tun, damit sie mir verzeih t . « Die Frau sah einen Moment lang in Kerners Augen. Dann drehte sie sich um und ging mit dem Bild zu einem stämmigen Mann aus ihrer Mitte. Sie zeig t e es ihm . Der Mann betrachtete es, begann zu lachen und nickte mit dem Kopf. M it seiner Hand zeigte er nach Westen
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