Der Grabritter (German Edition)
plötzlich die Fäden in der Hand. Dr. Kurz hatte ihm freie Hand gelassen. Den Rest würde er nun auch bald erledigt haben.
38
In der alten Herberge im Vatikan saßen die Grabritter versammelt um den großen Tisch neben dem Kaminfeuer. John Fiz Patric und die anderen hörten aufmerksam dem zu, was ihnen Graf von Löwenberg zu berichten hatte. Als er fertig war, lehnte sich Sir John auf seinem Stuhl zurück und strich nachdenklich über seinen riesigen Schnauzbart. »Also Ritter Siegfried, was halten Sie von dem Mann? Können wir ihm vertrauen?« Graf Siegfrieds eisblaue Augen sahen John Fiz Patric geradewegs an. »Er ist ein guter Mann, Sir John, davon bin ich fest überzeugt. Sagen wir … ein Rohdiamant, gewiss, aber mit dem richtigen Schliff bin ich sicher, kann er noch vieles erreichen. Ganz abgesehen davon, … haben wir denn eine andere Wahl? Niemand von uns ist bis jetzt nahe genug an die Vigianis herangekommen. Er hat vielleicht die Möglichkeit dazu.«
Der Großmeister runzelte die Stirn. »Er riskiert sein Leben dabei. Weiß er das?« Graf Siegfried nickte bedeutsam. »Ich denke, das habe ich ihm unmissverständlich klar machen können und ich glaube außerdem, dass er ein Mann ist, der keinen Augenblick zögert, sein Leben einzusetzen, wenn es die Sache wert ist. Wir alle wissen, was Himmlers Vermächtnis in den Händen des Conte und seiner dunklen Loge anrichten könnte. Gebietet nicht unser Schwur uns, dies mit allen Mitteln zu verhindern?« Lord Peter Griffin, der Statthalter aus England, meldete sich zu Wort. »Ich sehe das genauso, Sir John. Bis jetzt können wir die Aktivitäten des Conte nur bis zu den Grenzen seines streng gesicherten Anwesens überwachen. Wie oft haben wir schon beobachtet, wie dort Hubschrauber einflogen und dunkle Staatslimousinen mit verspiegelten Scheiben eintrafen. Wir haben keine Ahnung, was hinter diesen Mauern geplant wird. Auf mich jedenfalls macht die ganze Szenerie einen fast gespenstischen Eindruck. Haben wir nicht aus der langen Geschichte der Grabritter gelernt, Weitsicht zu üben und wenn es sein muss auch Opfer zu bringen? Jahr um Jahr haben wir gewartet. Sie selbst haben es uns erzählt. Aubs hat es prophezeit, dass der Tag kommen wird, an dem jemand das blutige Erbe Himmlers antreten wird. In den Händen dieser Leute, könnte es verheerende Folgen haben. Nun ist dieser Tag gekommen. Ich sage, es bleibt uns keine Zeit mehr. Wir müssen handeln, bevor es zu spät ist.«
John Fiz Patric stand auf und ging langsam zu dem Wappen über dem Kamin. Er betrachtete den Ritter, der dort so wehrhaft sein Schild in Händen hielt und die beiden Engel, die ihm zur Seite standen. Dann lachte er plötzlich aus vollem Hals, sodass der ganze Körper sich schüttelte. Er wandte sich um und seine tiefe, donnernde Stimme ließ die Gläser auf dem Tisch vibrieren. »Ihr habt recht. Also gut, Grabritter von Jerusalem, stehen wir mit aller uns gegebenen Macht an der Seite dieses Marcus Kerner und halten ihm den Rücken frei. Gott gebe, dass unser Vorhaben gelinge.«
39
Kerner saß im Fond der schwarzen Limousine, die sich in schneller Fahrt auf dem Weg nach Lecco in Oberitalien befand. Der Plan, den Herzog und er geschmiedet hatten, war tatsächlich aufgegangen. Die Contessa hatte ihn angerufen und ihm ein Angebot ihres Vaters unterbreitet. Jetzt lag hinter ihm im Kofferraum der Limousine eine fast zwei Meter lange Rolle. In ihr befand sich die vermeintlich so kostbare Fracht, die er zu dem alten Conte Vigiani bringen sollte. Rubens‘ Meisterwerk Tarquinius und Lukretia.
Lange hatte er mit Bice telefoniert. In wenigen Minuten würde er sie wiedersehen. In Lecco, am Ufer des Comer Sees, würde sie auf ihn warten. Alle Vorbereitungen hatte Kerner sorgfältig getroffen. Viele Telefonate waren noch geführt worden. Sam, Graf von Löwenberg, einige der anderen Grabritter, die er bis jetzt noch nicht kennengelernt hatte, und selbst ihr Großmeister, Sir John Fiz Patric, waren jederzeit für ihn erreichbar. Einige von ihnen waren auch schon hier vor Ort und hatten sich in verschiedenen Hotels als Touristen einquartiert. Kerner wusste, dass alle Hoffnungen jetzt auf ihm ruhten und er würde alles daran setzen, sie nicht zu enttäuschen. In Lecco angekommen bahnte sich die Limousine einen Weg zu dem kleinen Bootshafen am Ufer. Es herrschte reges Treiben an diesem Morgen. Der ganze Hafen war in das glitzernde Licht der wärmenden Sonne
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