Der Grabritter (German Edition)
Ich habe meinem Vater Ihr Angebot unterbreitet. Er hat Ihnen einen Vorschlag zu machen , und ich denke, dass er für Sie durchaus eine Überlegung wert sein dürfte. Ich werde Sie heute um zweiundzwanzig Uhr noch einmal anrufen. Es liegt also nun ganz bei Ihnen.« Mit den ersten Worten der Contessa tauchte ihr Bild vor seinen Augen auf. Oft hatte er seit ihrem Zusammentreffen in der Galerie an sie denken müssen. Die Begegnung mit ihr hatte ihn tief beeindruckt. Er fühlte sich geradezu magisch von dieser Frau angezogen. Nur zu gut wusste Kerner, dass dies ein tödlicher Fehler sein konnte. Es war, wie Graf Siegfried gesagt hatte. Er musste einen absolut klaren Kopf haben und äußerst vorsichtig sein. Jemand, der zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt war, würde das Spiel, auf das sie sich einlassen wollten, nicht überleben. Kerner wischte alle Gedanken an die Contessa beiseite. Er dachte wieder an die Grabritter und das, was ihm Graf Siegfried von ihnen erzählt hatte.
Vor vielen Jahren, noch während Kerners Theologiestudiums, hatte er schon einmal von einem solchen Orden gehört. Niemand, nicht einmal die Professoren der Uni, konnten ihm aber damals nähere Informationen geben. Alles, was er zu der Zeit gehört hatte, waren ein paar vage Gerüchte um einen geheimnisvollen Ritterorden im Vatikan. Und jetzt waren sie plötzlich um ihn herum. Graf Siegfried hatte ihm Einblick in eine Welt gegeben, die Kerner erstrebenswert schien.
Diese Ritter hatten sich einer großen Aufgabe gestellt. Sie waren weder an Gesetze noch an kirchliche Weisungen gebunden. Ihr ganzes Handeln wurde allein von ihren moralischen Wertvorstellungen geprägt. Nur vor Gott, dem Papst und ihrem Orden hatten sie sich zu verantworten. Eine große Bürde. Im ersten Moment war Kerner eine solche, sich teilweise über Gesetze hinwegsetzende, Handlungsweise, ihm als Hauptkommissar des BKA, auch reichlich suspekt vorgekommen. Je länger er jedoch mit Graf Siegfried geredet hatte und je mehr er über die Grabritter erfahren hatte … ?! Wenn dieser Orden aus lauter Männern wie Graf Siegfried von Löwenberg bestand, dann gab es keinen Zweifel daran, dass diese Ritter mit das Beste waren, was der Welt passieren konnte.
37
Mit schnellen Schritten war Marquart unterwegs zu Herzogs Büro. Merten und Bange, die beiden Kommissare aus seiner Abteilung warteten dort bereits auf ihn. Er kam herein und knallte die Tür hinter sich zu.
»Also bei den Engeln ist er, ja? Vollidioten seid ihr. Wisst ihr, was passiert, wenn Herzog wieder aufwachen sollte? Dann sind wir im Arsch. Versteht Ihr, im Arsch! Aber vorher reiß ich Euch eure scheiß Eier ab und stopf sie in eure beschissenen Fressen. Habt ihr das begriffen?« Marquarts Kopf war im Begriff zu platzten. Seine Augen quollen aus ihren Höhlen, und der oberste Knopf seines Hemdes drohte jeden Moment abgesprengt zu werden. Merten und Bange wagten es nicht, ihn anzusehen. Mit gesenkten Köpfen ließen sie Marquarts Tobsuchtsanfall über sich ergehen.
Als er endlich begann, sich zu beruhigen, hob Merten vorsichtig den Kopf wieder an, vermied es jedoch, den Kriminalrat direkt anzusehen. »Tut uns leid, Chef, aber wir dachten wirklich, er sei hinüber. Es musste alles sehr schnell gehen. Da kamen Autos hinter uns. Na ja, was soll ich sagen. Wir biegen die Sache wieder hin. Ehrenwort. Was sollen wir tun?« Marquart fasste sich mit der Hand auf den Kopf und ging im Büro auf und ab. »Im Moment stehen Leute von Herzog abwechselnd Wache vor seiner Tür. Dr. Kurz, der große Zampano, hat sofort nach Herzogs Einlieferung Wachpläne erstellt. Da ich aber bis auf Weiteres Herzogs Abteilung mit übernommen habe, werde ich auch die nächsten Wachdienste einteilen. Einer von euch wird eingeteilt. Was dann zu passieren hat, ist wohl klar, oder? Es muss aber so aussehen, als ob er es einfach nicht geschafft hat. Dazu wird mir schon noch etwas einfallen. Und jetzt raus hier mit euch. Ich kann eure bescheuerten Kackfressen heute nicht mehr sehen.« Wie zwei geprügelte Hunde schlichen die beiden Kommissare aus dem Büro. Marquart öffnete den Knopf seines Hemdes und sah sich in Herzogs Büro um. Er hatte jetzt offiziell Zugriff auf alles. Irgendwo musste die Akte über diesen verdammten Toten ohne Kopf sein. Es würde wichtig sein zu wissen was Herzog in die Wege geleitet hatte und wie weit er mit den Ermittlungen gekommen war. Immerhin war das Zwischenergebnis nicht schlecht. Mit einem Schlag hatte er
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