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Der Grabritter (German Edition)

Der Grabritter (German Edition)

Titel: Der Grabritter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Lierss
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getaucht. In der Nähe des Ufers hielt der Wagen. Der Chauffeur stieg aus und öffnete Kerner die Tür. Für einen Moment ließ er das Stimmengewirr der Händler, das Umherschwirren der Frauen auf dem nahen Fischmarkt und die Boote, die sich am Ufer des Sees in den seichten Wellen wogen, auf sich einwirken. Dann sah er ungefähr dreihundert Meter entfernt vom Ufer eine Jacht liegen. An ihrer Reling bemerkte Kerner, wenn auch unscharf, eine Gestalt. Sie winkte in die Richtung der schwarzen Limousine, aus deren Kofferraum er gerade die Rolle mit dem Bild herausholte. Es war die Contessa.
     
    F ür einen Moment vergaß Kerner alles andere um sich herum. Ein unbeschwertes und freudiges Gefühl stieg in ihm hoch. Sogleich jedoch wurde ihm genau dieser Umstand bewusst. Das war es. Genau das durfte nicht passieren. Sofort fielen Kerner die warnenden Worte des Grabritters ein. Seine Euphorie wich der Vorsicht und seinem Verstand. Zuerst musste sich noch herausstellen, ob ihn sein Gefühl im Bezug auf diese Frau getäuscht hatte oder nicht. Sein größter Wunsch war es, dass es nicht so sein sollte. Ein Mann näherte sich der Limousine, den Kerner schon einmal gesehen hatte. Es war einer der Bodyguards, die sich während der Ausstellung im Bonner Kunstmuseum um die Sicherheit der Contessa gekümmert hatten. Kerner hatte die Beiden schon bei dieser ersten Begegnung als sehr gefährlich eingestuft. Der Mann, der einen kurzen Bürstenhaarschnitt trug und wohl mindestens ebenso muskulös war wie Kerner selbst, trat vor ihn. Ohne dass sich die Miene in seinem Gesicht auch nur im Geringsten veränderte, begrüßte er Kerner. »Guten Tag, Mr. Baranow. Mein Name ist Ramon. Ich hoffe, Sie hatten einen angenehmen Flug.« Dann wies er mit der Hand in Richtung der Jacht, auf der Bice de Vigiani eben noch an der Reling gestanden hatte. »Die Contessa erwartet Sie an Bord, Mr. Baranow. Der Fahrer wird Ihr Gepäck zum Boot an der Anlegestelle bringen. Danach können wir hinüberfahren.« Als ihm der Chauffeur die große Papprolle unter seinem Arm abnehmen wollte, winkte Kerner ab. »Schon gut, das trage ich lieber selbst.« Er folgte Ramon durch die Menschenmenge hindurch zu einem der Stege, an denen ein Sportboot mit zwei Außenbordmotoren lag. Nachdem alle Gepäckstücke im Boot verstaut waren, legte Ramon ab. Aus dem verträumten Hafen schipperten sie hinaus in Richtung des prächtigen, schneeweißen Schiffes, das dort vor Anker lag. Als sie sich der Bordwand näherten, konnte Kerner den Schriftzug am Bug sehen. Es war die Bice . Die Jacht war auf den Namen der Contessa getauft worden. Es war anzunehmen, dass der Besitzer eine enge Beziehung zu Bice de Vigiani haben musste . Da Kerner vermutete , dass die Jacht dem alten Conte gehörte, war es für ihn eine erste Information. Am Fuß der Treppe, die auf das Deck führte, vertäute Ramon das Boot.
     
    Kerner sah hinauf und blickte in zwei strahlende, bernsteinfarbene Augen. Da stand Bice und lachte ihn an. Eine leichte Brise wehte ihr die langen, schwarzen Haare ins Gesicht. Sie war noch viel schöner, als er sie in Erinnerung hatte. In diesem atemberaubenden Rahmen, dem tiefblauen Wasser des Comer Sees, eingebettet in diese einzigartige Berglandschaft, wirkte sie wie ein kostbarer Juwel . Kerner ging an Bord und streckte ihr die Hand entgegen. »Guten Tag, Contessa.« Plötzlich änderte sich der Ausdruck in Bice‘ Gesicht. Sie verschränkte ihre Hände auf dem Rücken und funkelte Kerner an. »Mr. Baranow, ich weiß nicht, ob ich mich über Ihr Kommen freuen oder über Ihren Affront ärgern soll. Eigentlich müsste ich furchtbar böse auf Sie sein. Eigentlich haben Sie es gar nicht verdient, von mir empfangen zu werden. Schließlich haben Sie mich auf der Ausstellung ziemlich dumm stehen lassen.« Kerner lächelte entschuldigend. »Sie haben recht, Contessa. Können Sie mir noch einmal vergeben? Nun, es hätte ja sein können, dass Sie mir gleich einen Ihrer Bodyguards auf den Hals hetzen würden. Schließlich ist das Geschäft, das ich Ihnen vorgeschlagen habe, ... nun sagen wir mal … etwas sensibel.« Bice de Vigiani sah Kerner tief in die Augen. »Mr. Baranow, ich bin zwar keine Schwerverbrecherin, aber von einer Heiligen bin ich wohl auch ein Stück weit entfernt. Aber Sie haben recht. Wäre ihr Geschäft in meinen Augen über das Maß des sensibel seins hinausgegangen, so wäre das in der Tat möglich gewesen.« Bice holte ihre rechte Hand wieder hinter dem Rücken

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