Der Grabritter (German Edition)
tut, was Geschäftsleute tun, was Sie auch tun: Er verdient Geld. Übrigens, sollte Sie das etwa beunruhigen, weitaus mehr, als man braucht, um kaufen zu können, was Sie anzubieten haben. Ich denke, dass Sie mich verstanden haben, Mr. Baranow!« Bice sah einen Moment lang geschockt zu ihrem Vater hinüber. Die heftige Reaktion war ihr unverständlich. Etwas irritiert versuchte sie die angespannte Situation aufzulockern. »Also bitte, jetzt hört auf. Nichts mehr von Geschäften und nichts über Politik. Wisst ihr eigentlich schon, wie schnell wir heute mit der Bice unterwegs waren? Es waren 51 Knoten. Das heißt, sie ist die schnellste Jacht auf dem Lario.« Der angespannte Ausdruck auf dem Gesicht des Conte verschwand langsam wieder und wich einem Lachen. »Da hören Sie es, Mr. Baranow. Sie muss immer die Grenzen austesten. Schneller, höher, weiter … so war sie schon immer.«
Mehr oder weniger belanglos setzte sich die Unterhaltung noch eine Weile fort, und Kerner vermied es dabei, den Sohn des alten Conte noch einmal zu erwähnen. Es war mittlerweile schon spät, und Donatello Vigiani stand auf. »Es tut mir leid, aber für mich ist es an der Zeit. Ich muss meine Medikamente nehmen und mich hinlegen. Mr. Baranow, wir sehen uns morgen früh. Dann werden wir gemeinsam das Bild in Augenschein nehmen.« Er gab Bice einen Kuss und zog sich dann zurück.
Als er das Zimmer verlassen hatte, sah Bice Kerner entschuldigend an. »Du darfst meinem Vater nicht böse sein, Victor. Er meint es oft nicht so. Es ist nun einmal seine Art, die Dinge immer beim Namen zu nennen und bei Geschäften ganz besonders. Seitdem dieser verdammte Krebs an ihm frisst, ist er auch zunehmend reizbar. Er wittert immer gleich hinter allem und jedem eine Gefahr. Ich denke das ist so weil er keine Kontrolle mehr über manche Dinge hat. Die hat er in die Hände Ferruccios gegeben und obwohl er es stets verneint, es ist ihm glaube ich schwer gefallen. Mach d ir also bitte nichts daraus, wenn er manchmal verletzend ist. Er ist ein alter, sterbenskranker Mann, und er ist mein Vater.«
Kerner sah Bice mit einem Blick an, den sie wohl kaum zu deuten wusste. »Ich bin absolut nicht böse , Bice. Glaub mir, ich weiß vielleicht besser, als du denkst, was dein Vater meint. Also warum vergessen wir es nicht einfach?« Plötzlich begann Kerner zu grinsen. »Worauf habe ich mich da bloß eingelassen? Nachdem, was ich gerade alles über dich gehört habe, scheinst du ein richtiger Wildfang zu sein. Hoffentlich überlebe ich das auch.« Bice beugte sich langsam zu ihm herüber und küsste ihn. »Ich schwöre dir, das wirst du.«
Am nächsten Morgen schlug Kerner die Augen auf und sah sich in seinem Zimmer um. Nach einem langen Abend und einer noch viel längeren Nacht hatte Bice ihn verlassen und war ebenfalls in ihr Zimmer gegangen. Schließlich wollte sie, bevor er es etwa von irgendwelchen Angestellten erfahren würde , ihrem Vater selbst erzählen, was zwischen ihnen passiert war. Und sie wollte ihm klarmachen, dass es für sie ernst war. Sie war verliebt wie noch niemals zuvor in ihrem Leben.
Alle Möbel um Kerner herum waren edelste Stücke aus der Zeit des Barock. Er sah hinauf zu der hohen Stuckdecke und kam sich vor wie in einem Märchenschloss. Er stand auf und zog sich an. Dann ging er aus dem Zimmer auf den Flur. Um die Ecke bog gerade Maria, die ihm freundlich einen guten Morgen wünschte. Sie zeigte Kerner, wie er zu dem Teil des Gebäudes kommen würde, in dem der Donatello Vigiani eigens einen Raum hatte herrichten lassen. Er wollte dort ausschließlich, und ohne störende Einflüsse das von ihm so heiß begehrte Gemälde studieren können. Als Kerner das Zimmer betrat, war der Conte schon dort. Er stand vor dem Bild und betrachtete es.
Kerners Hereinkommen hatte er nicht einmal bemerkt. Als er jedoch näher kam, wandte der Conte den Kopf. »Sehen Sie sich das Bild an, Mr. Baranow. Soviel erzählt es. So viel drückt es aus. Der verruchte Königssohn Tarquinius Sextus, wie er der keuschen Schönheit Lukretia mit wilder Begierde in den Schoß greift, um sie dann erpresserisch zu zwingen, sich ihm hinzugeben. Doch Lukretia gesteht ihrem Gatten den frevelhaften Übergriff des Unholds und setzt ihrem entehrten Leben mit einem Dolch ein Ende. Beim blutigen Dolch der Lukretia schwor das Volk Rache. Und so stürzte 509 vor Christus ein Königreich um den Letzten Willen der Lukretia. Was sagt Ihnen das, Mr. Baranow?« Kerner
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