Der Grabritter (German Edition)
schön«, sagte er schließlich. »Ich werde sehen, was ich tun kann.« Merten saß in der kleinen Einzelzelle und hielt seinen Kopf zwischen den Händen. Sie hatten ihn ordentlich eingeschüchtert. Die Zukunft, die sie ihm ausgemalt hatten, verhieß nichts Gutes für ihn. Außerdem wusste er schließlich selbst, wie es im Knast zuging. Für jemanden wie ihn würde es die Hölle werden. Von Marquart hatte er bisher noch nichts gehört. Langsam wurde ihm klar, dass sie ihn den Wölfen zum Fraß vorwerfen würden. Aber sie sollten sich irren. Wenn er schon in den Knast wandern sollte, würden ihn ein paar Leute dahin begleiten. Dieser junge Kommissar hatte ihm einen Deal angeboten, der vielleicht seine einzige Rettung war. Er musste die Hintermänner nennen und als Zeuge für die Staatsanwaltschaft vor Gericht aussagen. So konnte er zumindest damit rechnen, in ein Gefängnis verlegt zu werden, in dem sein Leben einigermaßen sicher war. Kommissar Korte hatte ihm noch einmal eine Bedenkzeit gegeben. Morgen früh musste er sich entschieden haben. Merten ließ sich zurück auf die harte Pritsche fallen und machte die Augen zu. Er hatte sich bereits entschieden.
In der JVA war es ruhig und das schwache Licht auf den Gängen sorgte für eine noch monotonere Stimmung, als sie schon bei Tag herrschte. Es waren noch fast zwei Stunden bis zum Sonnenaufgang. Der ganze Block lag in tiefem Schlaf. Nur in einer der Zellen lagen zwei der Häftlinge wach auf ihren Pritschen. Das schwache Licht, das von der Außenbeleuchtung durch die Scheibe des kleinen Fensters fiel, ließ nur wenig vom Gesicht der beiden Männer erkennen. Beide hatten lebenslänglich. Sie kannten die eisernen Spielregeln, die hier herrschten, nur zu gut. Um das Leben einigermaßen erträglich zu gestalten, gab es zwei Möglichkeiten. Entweder man hatte Geld oder Beziehungen. Aber Beziehungen, bei denen auch etwas für einen heraussprang, die musste man sich schon erarbeiten. Genau darauf warteten die beiden. Jetzt hatten sie die Gelegenheit, sich Respekt und ein paar Privilegien für die Zukunft zu sichern.
Im Türschloss der Zelle war ein leises Knacken zu hören. Hellwach lagen sie da und warteten einen Moment. Dann standen sie auf. Ihre Sachen hatten sie am Abend erst gar nicht ausgezogen. Als sie langsam zur Türe gingen, waren sie schon fertig angekleidet. Drago, der größere der beiden, öffnete langsam die Tür. Niemand war auf dem Flur zu sehen. Er ging hinaus und Stiegler, ein kleiner untersetzter Mann mit einem brutalen Gesicht, folgte ihm. Mit leisen Schritten gingen sie den Flur entlang bis zu dem Trakt, in dem die Untersuchungshäftlinge untergebracht waren. Sie blieben stehen, und Drago zeigte auf die Tür vor ihnen. Langsam zog der Mann mit den brutalen Gesichtszügen ein Rasiermesser aus seiner Tasche und klappte es auf. Drago sah im schwachen Licht die Klinge blitzen. Vorsichtig bewegte er den Riegel der Tür. Sie war nicht verschlossen. Noch einmal drehte er sich zu Stiegler um, dann gingen sie in die Zelle hinein, direkt zu der Pritsche, auf der Merten schlief. Drago trat an seine Seite. Mit seinem ganzen Gewicht warf er sich plötzlich auf Merten. Seine Hände umklammerten mit eisernem Griff Mertens‘ Arme und hielt sie fest.
Merten riss die Augen auf. Er wollte schreien, doch im gleichen Moment presste sich eine Hand auf seinen Mund und riss ihm den Kopf nach hinten. Merten spürte einen brennenden Schmerz an seiner Kehle. Dann fühlte er das warme Blut auf seiner Haut, das langsam seinen Hals herunter auf seine Brust rann. Mit aller Kraft versuchte er hochzukommen.
Er hatte nicht die geringste Chance gegen die Männer. Ein letztes, leises Röcheln kam aus seinem Mund. Die Augen wurden starr. Drago ließ von dem leblosen Körper ab und stemmte sich hoch. Er schwitzte stark, und der Scheiß vermischte sich mit dem Blut, das an seinem Oberkörper klebte. Stiegler strich das Rasiermesser neben Mertens Kopf auf dem Kopfkissen ab. Dann klappte er es zusammen und steckte es weg. Einen Moment lang betrachteten die beiden ihr Werk, dann gingen sie zu dem kleinen Waschbecken in der Zelle und wuschen sich das Blut ab. Danach traten sie den Rückweg in ihre Zelle an. Ohne noch ein Wort über die Sache zu verlieren, legten sie sich wieder auf ihre Pritschen und starrten in die Dunkelheit. Angestrengt lauschten sie. Es dauerte nur wenige Minuten, dann hörten sie wieder das leise Knacken vom Türschloss. Ihre Anspannung löste sich, und sie
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