Der Graf und die Diebin
Hals um.“
„Ich schwöre bei allem, was mir heilig ist....“
„Was ist dir schon heilig!“
Christian erhob sich und ging zur Tür. Auf der Schwelle blieb er noch einmal stehen und wandte sich zu dem unglücklichen Claude um. Der hockte immer noch zusammengesunken auf der Bettkante und schaute ihn aus tief geränderten Augen an.
„Rühr dich nicht von hier fort!“, befahl er ihm.
Claude nickte gehorsam. Er war sowieso todmüde und wollte nichts als schlafen.
Er wollte sich Klarheit verschaffen und zwar sofort. Wenn sie ihn wirklich mit Claude betrogen haben sollte, dann wehe ihr. Er würde keine Gnade walten lassen. Und wenn sie auch auf allen vieren vor ihm auf dem Boden kroch und ihn um Verzeihung anflehte – er würde sie erbarmungslos aus dem Schloss jagen.
Er riss die Tür zum Vorraum ihres Schlafgemachs auf und musterte die verschreckte Zofe mit finsterem Blick. Nadine hatte am Fenster gestanden und versank nun in einem tiefen Knicks. Merkwürdig, sie schien aus irgendeinem Grund tief bekümmert zu sein. Aber das interessierte ihn in diesem Moment herzlich wenig.
„Weck sie auf!“
Nadine errötete und wand die Finger ineinander. „Mademoiselle ist nicht hier“, sagte sie ängstlich. „Sie wollte in den Park gehen.“
„In den Park? Ohne meine Erlaubnis?“
Nadine senkte den Kopf, sodass ihr Gesicht unter der Haube kaum mehr zu sehen war. „Ich bin untröstlich, Euer Gnaden. Sie hat gesagt, sie fühle sich schwindelig und benötige frische Luft. Ich habe sie nicht aufhalten können....“
Er hatte keine Lust, ihr weitere Vorhaltungen zu machen. Die Kleine war ein Schützling seiner Mutter gewesen, und er hatte bisher gefunden, dass sie eine treue und zuverlässige Dienerin war. Aber Jeanne brachte es offensichtlich fertig, nicht nur ihn, sondern auch alle anderen Bewohner des Schlosses durcheinanderzuwirbeln. Er wandte sich ab und wollte die Treppe hinuntergehen. Doch die Zofe rief ihn zurück. „Euer Gnaden sollten aus dem Fenster sehen. Gleich drüben vor dem Reitstall....“
Er schob die Gardine beiseite und sah hinaus. Auf der linken Seite des mittelalterlichen gedrungenen Schlossgebäudes befand sich der Reit- und Marstall, den sein Vater hatte erbauen lassen. Ein schmuckloses viereckiges Gebäude mit kleinen Fenstern und einem gewölbten Torbogen, über dem ein springendes Pferd eingemeißelt war.
Vor dem Reitstall gab es einen kleinen gepflasterten Platz, auf dem die Kutschen angespannt wurden, und die Reiter von den Pferden stiegen. Genau dort erblickte Christian seinen Freund René, eifrig damit beschäftigt, eine braune Stute am Zaumzeug umherzuführen. Auf der Stute saß eine Amazone mit offenem dunklem Haar, die sich ein wenig ängstlich an der Mähne des Pferdes festhielt. Sie saß in einem Herrensattel, und Christian konnte erkennen, dass ihre Röcke an einer Seite so weit hinaufgerutscht waren, dass man ihre bloße Wade sehen konnte.
Er biss die Zähne aufeinander, um sich keinen bösen Fluch entgleiten zu lassen und eilte davon. Schon aus der Entfernung hörte er Renés tiefe Stimme, die ihr Anweisungen gab. „Ganz locker sitzen, Mademoiselle. Mit der Bewegung des Pferdes mitgehen. So ist es gut. Und nicht die Finger in die Mähne krallen, das mag sie nicht so gern....“
Christian stemmte die Arme in die Hüften und besah sich die Szene. Wie hatte sie das jetzt wieder fertiggebracht? René, der Bär, der unerbittliche Jäger, der bisher immer über reitende Frauen gespottet hatte, war sanft und fürsorglich bemüht, sie in die Kunst des Reitens einzuführen. Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so ärgerlich wäre. René zeigte keinerlei Betroffenheit oder gar schlechtes Gewissen, als er Christian entdeckte. Fröhlich winkte er ihm zu.
„Sie wird es in kurzer Zeit gelernt haben. Hat Talent, das Mädel“, rief er mit seiner lauten Stimme.
Auch Jeanne wandte den Kopf in Christians Richtung, strich sich das Haar aus der Stirn und lächelte. Ihre Unbefangenheit brachte Christian noch viel mehr in Rage als alles Vorangegangene. Jetzt begriff er endlich. Es war ein Spiel, nichts weiter. Sie wollte sich rächen, weil er sie hatte warten lassen. Diese raffinierte Wildkatze. Aber sie würde sich noch wundern.
Mit ein paar Sprüngen war er neben René und nötigte ihn, die Stute zum Stehen zu bringen. „Genug geübt“, sagte er, scheinbar bester Laune. „Jetzt schauen wir mal, was du gelernt hast.“
Er hatte gesehen, dass ihre Füße nicht an die Steigbügel
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