Der Graf und die Diebin
Paris. Mme de Fador wird die Gendarmerie benachrichtigt haben. Möchtet Ihr gern in der Bastille landen?“
Er lächelte und blieb stehen, um eine Fluse von ihrem Ärmel zu nehmen. Sie schlug blitzschnell zu und hätte ihm fast eine Ohrfeige verpasst, wenn er sich nicht rasch zurückgezogen hätte.
„Aber, aber, junge Dame. Ihr ereifert Euch ganz umsonst. Niemand wird nach Euch suchen. Ihr seid in meinem bescheidenen Heim in vollkommener Ruhe und Sicherheit.“
Jeanne bebte vor Wut und hätte sich am liebsten auf ihn gestürzt, um ihm das Gesicht zu zerkratzen.
„Lügner“, rief sie. „Glaubt Ihr, ich falle auf Euer Geschwätz herein? Ihr seid ein Verbrecher, Ihr habt mich gewaltsam entführen lassen. Noch dazu aus dem Hause einer Dame, zu der Ihr in freundschaftlicher Beziehung steht!“
Er sah ein, dass sie ihn unter keinen Umständen an sich heranlassen würde und gab den Versuch auf. Stattdessen ließ er sich in einem Sessel nieder.
„Ihr scheint Euch über Eure Lage nicht ganz klar zu sein, Mademoiselle Jeanne“, meinte er gelassen. „Ich sagte: Niemand wird nach Euch suchen. Meine von mir sehr verehrte Freundin Marguerite de Fador ist über Euren Aufenthalt hier unterrichtet.“
Jeanne wurde blass. Sagte er die Wahrheit? Das konnte doch nicht sein. Mme de Fador hatte sie aufgefordert, freundlich zu ihm zu sein. Aber sie konnte doch niemals eine Entführung gebilligt haben!
„Ihr glaubt mir nicht? Nun, dann seht Euch um. Dort steht das Gepäck, dass sie für Euch zusammengestellt hat. Eure Kleider vor allem, liebste Jeanne. Und noch ein paar private Kleinigkeiten, auf die eine Dame ungern verzichtet.“
In der Tat befanden sich neben der Tür zwei Reisetaschen mit dem eingearbeiteten Monogramm der Marquise. Jeanne schüttelte energisch den Kopf. Mit solchen Tricks konnte er sie nicht hereinlegen.
„Ihr schenkt meinen Worten immer noch keinen Glauben“, meinte er bedauernd. „Dann muss ich deutlicher werden.“
Jeanne hatte genug. Sie wollte von hier fort, notfalls auch zu Fuß. Sie sprang mit einem Satz zur Tür und rüttelte daran. Umsonst – man hatte die Tür von der anderen Seite verriegelt.
„Ihr bemüht Euch unnötig“, sagte er mit Triumph in der Stimme. „Hört mir lieber zu.“
„Ich will nichts von Euch hören!“
„Es handelt sich um eine Art Geschäft“, fuhr er unbeirrt fort. „Ich werde meiner guten Freundin Mme de Fador einen Gefallen erweisen und empfange dafür von ihr ebenfalls eine Gefälligkeit. Eine Hand wäscht die andere – vielleicht kennt Ihr diesen Spruch? Er ist sehr wahr und sehr nützlich.“
Verständnislos starrte sie ihn an. Wovon sprach dieser Teufel?
„Die Gefälligkeit der Marquise mir gegenüber besteht in diesem kleinen – zugegeben, nicht ganz freiwilligen – Besuch, den Ihr mir abstattet. Ich gedenke, Euch für eine geraume Weile in meinem Hause zu behalten und erwarte, dass Ihr mir während dieser Zeit einige Freundlichkeiten erweisen werdet, Mademoiselle.“
Sie erzitterte und erinnerte sich an die Worte, die er ihr in der Kutsche gesagt hatte. Hier in diesem Haus war sie ihm ausgeliefert. „Ich denke nicht daran“, sagte sie. „Lieber sterbe ich.“
Über sein Gesicht glitt ein hämisches Grinsen. „Welch große Worte, Jeanne! Ihr spielt die Heldin ohne Not. Anstatt Euch zu sträuben, solltet Ihr besser daran denken, dass der Gefallen, den ich meinerseits Mme de Fador erweisen werde, ein sehr großer und wichtiger ist.“
Sie warf den Kopf hoch. Er konnte reden, was er wollte, sie würde ihm kein einziges Wort glauben. „Es geht dabei um die Zukunft eines jungen Mannes, der gerade Euch, liebe Jeanne, sehr am Herzen liegt.“
Verwirrt sah sie ihn an. „Was meint Ihr?“
„Ich spreche von Christian de Saumurat.“
Der Boden unter ihr schien zu wanken. Was hatte Christian mit diesem üblen Menschen zu tun? „Ich verstehe nicht....“
Er sah, dass sie den Köder geschnappt hatte, den er mit so viel Bedacht ausgelegt hatte, und er genoss es, wie sie an der Leine zappelte.
„Christian de Saumurat ist ein ehrgeiziger junger Mann, der einen Weg zum Hof des Königs sucht. Ich kann ihm diesen Weg über meine Beziehungen ebnen. Daher haben wir diese kleine Absprache getroffen.“
Mit flammendem Blick sah sie ihn an. „Das ist ungeheuerlich. Christian wird niemals einem solchen Handel zustimmen!“
Die Stimme des Marquis war hart und schneidend, als er sie unterbrach. „Er hat ihn selbst abgeschlossen, Mademoiselle.
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