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Der Graf und die Diebin

Der Graf und die Diebin

Titel: Der Graf und die Diebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Amber
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musst du erfragen, ich kenne sie nicht genau.“
    Sie schloss das Kleid und machte einen kleinen Knicks, wobei sie den Rock an beiden Seiten mit den Händen fasste. Er fand die Bewegung allerliebst und bedauerte sehr, dass sie nun wohl nach St. Germain davonlaufen würde.
     
    Marguerite war keineswegs ungehalten über die Verspätung – im Gegenteil. Sie saß in glänzender Laune in einem Sessel, nur mit einem seidenen Morgenmantel angetan, das Haar bereits aufgesteckt und frisiert, und nach ihrem zufriedenen Gesichtsausdruck zu urteilen, hatte sie seine Unpünktlichkeit auf ihre Weise genutzt. Der kleine Tanzmeister hatte sie kurz zuvor verlassen und war an der Tür – zu seinem großen Erschrecken – mit Roger zusammengeprallt. Marguerite lächelte amüsiert und nippte an einer Tasse Kaffee.
    Der Duc nahm auf dem Sessel ihr gegenüber Platz, ein Diener beeilte sich, ihm einzuschenken. Roger erwähnte das kleine Missgeschick mit keinem Wort – ihre Beziehung war derart, dass man einander nicht dergleichen nachtrug.
    Marguerite sah ihn über die kleine Tasse hinweg an und lächelte ihr kühles Lächeln, das er so gut kannte. „So nachdenklich?“, fragte sie ironisch.
    „Es ist ein wenig schade“, gab er zurück und griff nach einem Hörnchen. „Sie tut dir leid? Oh, ich vergaß, dass du eine kleine Schwäche für sie hast.“ Ihr spöttischer Ton bedeutete ihm, dass er auf der Hut sein musste.
    „Man hätte sie zu besseren Dingen gebrauchen können“, meinte er bedauernd. „Sie hat Format, die Kleine.“
    Marguerite nickte und stellte mit einer zierlichen Bewegung ihre Tasse ab. Er musste zugeben, dass sie immer noch eine ungewöhnlich schöne Frau war. Ihr Nacken und ihre Arme waren untadelig.
    „Um so gefügiger wird sie später sein“, gab Marguerite achselzuckend zurück. „Der Chevalier wird sich in jedem Fall sehr dankbar erweisen.“
    „Möglich. Und doch gibt es noch einen anderen Grund, nicht wahr?“ Belustigt sah sie ihn an.
    „Was meinst du?“ Jetzt war es an ihm, ihr ein kühles Lächeln zu zeigen.
    „Du wolltest sie aus dem Weg haben, bevor Christian zurückkommt. Habe ich recht?“
    Sie ließ sich nichts anmerken. „Du hast mich wie immer durchschaut, lieber Roger. Ja, ich denke, dass der arme Christian ein wenig zu sehr den Kopf verloren hat.“
    „Zwei Fliegen mit einer Klappe“, bemerkte er. „Was wirst du Christian erzählen, wenn er hier ankommt?“
    „Das überlasse nur getrost mir“, meinte sie freundlich und winkte dem Diener zu, er möge ihr noch ein Tässchen eingießen.
    Die Frage war rhetorisch gewesen – er wusste natürlich genau, was sie erzählen würde. Dass die kleine Jeanne beschlossen habe, ihrem Christian zu einer grandiosen Karriere bei Hof zu verhelfen, und dass sie dafür all ihre Begabungen einsetzen würde. Als Dank erhoffe sie sich von ihm geheiratet zu werden, um dann als Comtesse da Saumurat selbst bei Hofe Karriere zu machen. Ganz und gar illusorisch war diese Vorstellung keineswegs – denn der Vater des Mädchens war unbekannt – und man müsste nur einen Adeligen finden, der für Geld oder andere Dienste bereit war, sich zu der Vaterschaft zu bekennen.
    So ähnlich würde Marguerite argumentieren. Es blieb abzuwarten, wie der junge Mann die Nachricht aufnehmen würde. Christian de Saumurat war nicht dumm, aber keineswegs ein Mensch von kühlem Verstand. Eher ein junger Feuerkopf.
    „Wir werden sehen, wie das Spiel sich anlässt“, sagte Roger vieldeutig und lächelte Marguerite zu.
    Sie spielte um Christian – das wusste er nur zu gut. Aber auch er, Roger, hatte einen Einsatz in diesem Spiel. Und er würde seine Chancen wahren.
     
    Jeanne hatte den ganzen Tag über unbeweglich auf einem Stuhl gesessen und an die Wand gestarrt. Hin und wieder war die Alte aufgetaucht, hatte ihr schweigend etwas zu Essen und zu Trinken hingestellt und war wieder gegangen. Jeanne hatte alles unberührt gelassen. Eine tiefe Gleichgültigkeit hatte sie erfasst. Nichts gab es mehr, das von Bedeutung war. Nichts, was sie erfreuen, oder worüber sie hätte weinen können. Nichts, was sie ängstigen konnte. Alles, worauf sie bisher gesetzt hatte, war vor ihren Augen zerbrochen.
    Gegen Abend schossen ihr plötzlich die Tränen in die Augen, und obgleich sie versuchte sie zurückzuhalten, war nichts gegen diese Flut zu unternehmen, die sich ihre Bahn brach. Schluchzend hockte sie da, hielt die Knie mit den Armen umschlungen und ließ dem Kummer, der aus ihr

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