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Der Graf und die Diebin

Der Graf und die Diebin

Titel: Der Graf und die Diebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Amber
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vor. Warum?
    Nun, das war nicht schwer zu erraten. Aus Eifersucht natürlich. Aber wo war Jeanne? Wohin hatte Marguerite sie verschleppen lassen? Er sah aus dem Fenster auf die zahlreichen Passanten, die sich auf der engen Gasse drängten. Kutschen fuhren an ihnen vorbei, einige hatten die Fenster verhängt. Schwer beladene Ochsenwagen waren der Grund dafür, dass eine rasche Durchfahrt nicht möglich war.
    Jeanne konnte überall sein. Marguerite konnte sie irgendwo in einer Mietwohnung untergebracht haben. Im Haus einer ihrer Freundinnen. Vielleicht war Jeanne ja auch davongelaufen und irrte nun hilflos in dieser großen Stadt umher? Die wildesten Visionen schossen ihm durch den Kopf, und er versuchte die schlimmsten Bilder zu verdrängen. Er würde sie finden, und wenn er jedes Haus einzeln durchsuchen müsste. Er würde seine Jeanne finden und sie zu sich nehmen, so wie er es von Anfang an vorgehabt hatte.
    Mochte Marguerite ihre Intrigen spinnen – er würde auch ohne ihre Protektion den Willen seines Vaters erfüllen.
    Der Kutscher stieß einen bösen Fluch aus, weil eine Karosse unvermittelt um eine Ecke gebogen war und ihnen den Weg abschnitt. Eines der Pferde erschreckte sich, versuchte zu steigen, und er hatte alle Hände voll zu tun, um das Tier wieder zu beruhigen. Christian war aufgesprungen und hatte aus dem Kutschenfenster auf die vorbeipreschende Karosse gesehen. Einen Moment lang glaubte er an eine Wahnvorstellung. In der Karosse saß der Chevalier de Boudard und an seiner Seite – Jeanne.
    Bilder und Farben tanzten vor seinen Augen. Ein Trugbild. Seine Fantasie spielte ihm einen Streich. Und doch konnte er sich auf seine Augen im Allgemeinen verlassen. „Fahr der Karosse nach!“
    Die Fahrt führte durch einige enge Gassen, dann hielt die Karosse vor einer Boutique, die Modeutensilien aller Art führte. Christian musste sich mit der bitteren Tatsache abfinden, dass es wirklich seine Jeanne war, die nun an der Hand des Chevaliers aus der Kutsche stieg und die Boutique betrat.
    Wie vor den Kopf geschlagen saß er und starrte vor sich hin. Was hatte das zu bedeuten? Zorn und Eifersucht brandeten in ihm hoch. Konnte es sein, dass er sich so getäuscht hatte? Dass er sich zum Narren hatte machen lassen? Er entschied, dass er Gewissheit haben musste. Wenn sie tatsächlich ein doppeltes Spiel mit ihm getrieben hatte – dann wehe ihr.
    Er betrat die Boutique, die ihm keineswegs unbekannt war. Damen und Herren aus höchsten Kreisen versorgten sich hier mit Spitzenkragen, Manschetten, Jabots, Handschuhen oder Fächern, die in hohen Regalen entlang der Wände gestapelt waren. Auch er selbst hatte hier früher Einkäufe getätigt – nicht nur zum eigenen Gebrauch, sondern auch für die Dame, der er gerade gewogen war.
    Jeanne stand an dem langen Auslagetisch, prüfte eine Auswahl feinster Spitzen und beriet sich mit dem Chevalier, welche davon am besten zu ihrem neuen Kleid passen würde. De Boudard stand lächelnd neben ihr, schob ihr diese oder jene Ware zu und verströmte den zufriedenen Stolz des Besitzers.
    Christian hätte gern den Degen gezogen, doch er beherrschte sich. Man war nicht allein. Drei Damen, von einem jungen Höfling begleitet, ließen sich Seidenstoffe vorlegen. Ein älterer Herr im weiten Mantel und breitem Hut probierte Handschuhe. Jeanne erbleichte, als sie Christian erkannte. Doch sie presste die Lippen aufeinander, und in ihren Zügen erschien jener trotzige Ausdruck, den er nur zu gut kannte.
    Er selbst war auf einmal völlig ruhig. Nun, da das Unglück nicht mehr zu leugnen war, hatte ihn aller Zorn verlassen. Die Verzweiflung, die in ihm wuchs, verbarg er hinter einer Maske aus kühler Gelassenheit.
    „Welch ein Zufall“, sagte er und verneigte sich vor ihr. „Ich glaubte, Euch bei meiner Freundin Marguerite zu finden. Doch wie ich sehe, seid Ihr in guter Gesellschaft.“
    Er machte dem Chevalier eine höfliche und zugleich spöttische Reverenz, die dieser mit leichter Verärgerung erwiderte. Er mochte diesen gut aussehenden jungen Mann, auf den Marguerite so große Stücke hielt, nicht besonders leiden. Mit leichter Besorgnis sah er zu Jeanne hinüber, doch sie schien den Comte kaum zu beachten und wühlte stattdessen in den Spitzen herum.
    „Diese hier wird Euch besonders gut kleiden“, sagte Christian und zog eine der Klöppelarbeiten aus dem Stapel. „Ich kaufte ein ähnliches Stück vor einiger Zeit für eine Dame, die mir sehr am Herzen lag. Sie war

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