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Der Graf und die Diebin

Der Graf und die Diebin

Titel: Der Graf und die Diebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Amber
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nicht aufgehen.
    Die Unterhaltung der Höflinge verstummte, als die großen Flügeltüren aufschwangen, und der Zugang zum Kabinett des Herrschers freigegeben wurde. Ein unwürdiges Geschiebe und Gedränge entstand, man beeilte sich, die beste Position zu ergattern, um dem König möglichst vorteilhaft unter die Augen zu treten. Christian hielt sich mit de Gironde im Hintergrund, und sie betraten das königliche Kabinett als Letzte. Auch König Ludwig hatte sich verändert. Christian stellte fest, dass die Züge des Königs den jugendlichen Charme verloren hatten – die scharfe Nase trat jetzt hervor, das leicht spitze Kinn, die Unterlippe, die breiter als die Oberlippe war. Seit dem Tod seiner Mutter, Anna von Österreich, hatte er selbst den Vorsitz des königlichen Rats übernommen. Seine ganze Haltung drückte jetzt die selbstsichere Würde eines Herrschers aus, der die Zügel fest in den Händen hält.
    Die scharfen Augen des Königs hatten Christian auch in den hinteren Reihen der Höflinge schnell erspäht. Er winkte ihn herbei – man machte ihm Platz – und Christian erwies dem Herrscher seine Reverenz.
    „Wir haben Euch die Dummheiten vergeben“, sagte Ludwig ernst. „Von nun an erwarte ich, dass Ihr Euch Eures Vaters, den wir sehr geschätzt haben, würdig erweist. Wir haben Aufgaben für Euch. Davon später mehr.“
    Christian verneigte sich und tauchte in die Menge der lächelnden und applaudierenden Höflinge ein. Während hinter ihm bereits der nächste Höfling mit lobenden Worten bedacht wurde, schwamm Christian im Glück seines leichten Sieges. Man hatte Aufgaben für ihn – er war wieder in Gnaden aufgenommen. Fast konnte er nicht glauben, dass es so einfach gewesen war. Warum hatte er so lange Zeit auf seinem einsamen, düsteren Schloss in der Normandie gesessen? Vielleicht hatte Marguerite doch damit recht gehabt, den König gleich um Vergebung zu bitten. Dann hätte er sich manchen Irrweg ersparen können.
    Der Abend verlief in der üblichen Art und Weise. Nach festgelegtem Zeremoniell begaben sich die Herren in einen Salon, in dem auch die Damen zugegen waren, von dort aus zog man in den Saal, in dem getanzt wurde. Christian genoss dieses lang entbehrte Vergnügen. Er war ein hervorragender Tänzer, und die feurigen Blicke mancher Damen bewiesen ihm, dass er nichts von seiner Wirkung auf das weibliche Geschlecht eingebüßt hatte. Zarte Hände in seidenen Handschuhen berührten wie zufällig seine Schultern, Röcke streiften seine Beine, rot geschminkte Lippen lächelten ihm Bereitschaft zu Liebesabenteuern entgegen. Er gab das Lächeln zurück, spürte jedoch wenig Lust, alte Beziehungen wieder anzuknüpfen. Auch er hatte sich verändert.
    Diener reichten Erfrischungen, kleine Köstlichkeiten, Zuckerwerk und kandierte Früchte, wie der König es liebte. Ein neues Getränk, der Champagner, hatte den Hof erobert, man trank ihn aus Kristallgläsern, in denen man die winzigen Perlchen aufsteigen sah. Auch Kaffee und duftende Schokolade erfreuten sich großer Beliebtheit. Obgleich immer wieder darüber geredet wurde, dass der Kaffee eine schädliche Wirkung auf den Organismus habe, gab es Höflinge, die zwanzig oder mehr Tässchen des schwarzen Trankes zu sich nahmen. Später saß man beim Konzert, hörte die Musik des großen Italieners Lully, der mit Feuereifer und großer Gestik dirigierte und der König, der in heiterer Stimmung war, griff selbst zur Laute, um einige Lieder vorzutragen. Die Schar der Höflinge applaudierte voller Enthusiasmus, man hörte kaum auf, die musikalische Darbietung des Herrschers zu loben. Christian verordnete sich weises Schweigen, denn die königliche Stimme war laut und wenig schön anzuhören.
    „Ich sehe, dass Ihr dazugelernt habt“, flüsterte ihm Roger de Gironde schmunzelnd zu. „Was haltet Ihr davon, ein Spielchen zu wagen?“
    Christian hatte in früheren Jahren oft große Summen verspielt, was seinen Vater zu Zornesausbrüchen veranlasst hatte – doch er war am heutigen Abend zu allem bereit. Er folgte dem Duc in das Kabinett, in dem drei Spieltische aufgebaut waren, und man setzte sich an einen freiwerdenden Tisch zum Kartenspiel.
    „Mein lieber Père Ernest – macht uns das Vergnügen“, rief de Gironde einem ältlich aussehenden Herrn zu, der ein geistliches Gewand trug und – ein wenig abseits stehend – die Spielenden beobachtet hatte.
    „Das Kartenspiel steht einem Mann Gottes nicht an“, widersprach de la Solle und wollte sich mit

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