Der Graf und die Diebin
kühl und fast feindselig.
„Die Neugier steht dir schlecht, liebe Freundin“, gab er lächelnd zurück.
Sie biss sich auf die Lippen und ärgerte sich über die Blöße, die sie sich gegeben hatte. „Vergiss nicht, Roger, dass dieses harmlose kleine Mädchen bereits zwei Männer auf dem Gewissen hat.“
Er lachte. „Wer hat sie denn dem armen Charles vermittelt, meine Liebe? Du warst es doch, die dafür gesorgt hat, dass der Chevalier den Kopf verlor.“
„Du vergisst Christian. Ohne dieses unglückselige Duell wäre es möglich gewesen, seinen Marschbefehl noch zu verhindern. Aber nun ist alles zu spät.“
De Gironde hatte auch ein wenig Mitleid mit dem jungen Mann, andererseits jedoch kam ihm seine Abwesenheit außerordentlich gelegen. Deshalb grämte er sich keineswegs darüber, dass Christian inzwischen sein Leben als Offizier des Königs riskierte.
„Der junge Mann ist nicht dumm – er wird schon durchkommen“, meinte er achselzuckend und erhob sich vom Lager, um sich anzukleiden.
„Es ist nicht nur das“, fuhr Marguerite ärgerlich fort. „Die kleine Teufelin hat Christian völlig verändert. Ich erkenne ihn kaum wieder.“
In der Tat, das hatte Roger de Gironde auch schon festgestellt. Christian hatte früher in jeder Hinsicht seinem Vater nachgeeifert, vor allem was die Liebesabenteuer betraf. Noch immer gab es zahllose Damen, die den verflossenen Abenteuern nachweinten und sich nach dem feurigen, aber leichtlebigen jungen Draufgänger vor Sehnsucht verzehrten. Christian war ein Herzensbrecher gewesen. Jetzt aber war der arme Kerl verliebt. Die kleine Jeanne hatte Amors Pfeil tief in sein Herz gestoßen, so tief, dass er ihn wohl ohne größere Lebensgefahr nicht mehr würde herausziehen können.
„Die Liebe ist wie eine ansteckende Krankheit“, sagte Roger leichthin und zog seine Weste über. „Wen sie erwischt, der muss leiden.“ Sie maß ihn mit einem kühlen, forschenden Blick, um ihren Mund war ein boshafter Zug.
„Wie gut, dass du, mein lieber Roger, gegen solch eine Krankheit immun bist.“
„Ebenso wie du, liebe Marguerite“, gab er liebenswürdig zurück und neigte sich über sie, um sich mit einem Kuss zu verabschieden.
Jeanne war von Roger de Gironde in einer großzügigen Stadtwohnung einquartiert worden – er selbst wohnte wie die meisten Adeligen in der unmittelbaren Nähe des Königs, im Louvre. Sie war ihm dankbar, dass er sie einige Tage ungestört Nadines Obhut überließ und nur hin und wieder einen kurzen Besuch abstattete. Die kleine Zofe machte ihrer Herrin Umschläge, legte Kräuterkompressen auf und verordnete strenge Ruhe. Jeanne fügte sich. Stundenlang lag sie unbeweglich auf ihrem Bett und grübelte vor sich hin.
Der Tod des Chevaliers hatte sie erschüttert. Charles de Boudard hatte sie großzügig beschenkt, dennoch hatte sie ihn verachtet, am Ende sogar gehasst. Doch der Gedanke, mehr oder weniger für seinen Tod verantwortlich zu sein, war schrecklich. Nadine hatte erzählt, dass man den Leichnam des Chevaliers in seine Heimat, nach Burgund, überführen würde, um ihn dort beizusetzen. Da hatte Jeanne an die Beerdigung der Comtesse de Saumurat denken müssen, die Anfang des Jahres in der Familiengruft im Schlossgarten zur letzten Ruhe gebettet worden war. Auch die Dorfbewohner waren festlich gekleidet und mit entblößten Häuptern dem Sarg gefolgt, und sie hatte an diesem kalten Januarmorgen zum ersten Mal den jungen Comte de Saumurat gesehen. Er wirkte fremd und abweisend in dem feierlichen Trauergewand, seine Züge ernst, die Lippen waren fest zusammengepresst.
Sie dachte daran, dass das Opfer dieses unsinnigen Duells genauso gut Christian hätte sein können, und sie spürte, wie ihr Herz sich zusammenzog. Er hatte sie betrogen und in aller Öffentlichkeit beleidigt. Warum bangte sie jetzt um ihn? Schön, er hatte zu ihren Füßen gekniet und sie um Verzeihung gebeten. Aber war das ein Grund, alles zu vergessen, was er ihr angetan hatte?
Aber wenn sie daran dachte, dass er sich vielleicht in diesem Augenblick todesmutig in den Kampf stürzte, war plötzlich aller Zorn vorbei. Es gab nur noch eine brennende, schmerzhafte Sehnsucht nach ihm und die Angst, dass es vielleicht zu spät sein könnte. Als Roger de Gironde von seinen Obliegenheiten bei Hofe zurückkehrte, fand er Jeanne im Salon. Erstaunt stellte er fest, dass sie sich reisefertig gekleidet hatte.
„Ihr wollt mich doch nicht etwa verlassen, Jeanne?“
Es klang unwillig
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