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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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schon den Diamanten berührte, zog die Hand zurück.
    Der Abbé lächelte.
    »Dafür aber«, fuhr er fort, »geben Sie mir die Börse, die Herr Morrel auf dem Kamin von Dantès’ Vater zurückgelassen hat und die Sie, wie Sie gesagt haben, noch besitzen.«
    Caderousse, dessen Erstaunen immer mehr zunahm, ging zu einem großen eisernen Schrank, öff nete ihn und gab dem Abbé eine lange, beschmutzte, rotseidene Börse mit zwei einstmals vergoldeten Ringen.
    Der Abbé nahm sie und gab Caderousse dafür den Diamanten.
    »Oh, Sie sind ein Mann Gottes!« rief Caderousse. »Denn wahrhaftig, niemand wußte, daß Edmund Ihnen diesen Diamanten gegeben hatte, und Sie hätten ihn behalten können.«
    Nun, es scheint, daß du es jedenfalls so gemacht hättest! dachte der Abbé. Er stand auf und nahm Hut und Handschuhe.
    »Alles, was Sie mir gesagt haben, ist doch wahr, und ich kann es in allen Punkten glauben?« fragte er.
    »Hören Sie, Herr Abbé«, antwortete Caderousse; »da in der Ecke ist ein Christus aus geweihtem Holz und hier auf der Truhe das Evangelienbuch meiner Frau; öff nen Sie das Buch, und ich schwöre Ihnen bei dem Heil meiner Seele, bei meinem Glauben als Christ, daß ich Ihnen alles erzählt habe, wie es sich zugetragen hat und wie es der Engel der Menschen am Jüngsten Tag unserm Herrgott ins Ohr sagen wird!«
    »Gut«, sagte der Abbé, den der Ton Caderousses überzeugt hatte, daß er die Wahrheit sprach. »Möge das Geld Ihnen Nutzen bringen.
    Leben Sie wohl, ich kehre wieder in meine Abgeschiedenheit zurück, fern von den Menschen, die einander so viel Böses tun.«
    Und der Abbé, der sich nur mit Mühe den begeisterten Freu-denbekundungen Caderousses zu entziehen vermochte, hob selbst die Eisenstange von der Tür, trat aus dem Haus, bestieg sein Pferd, grüßte noch einmal den Wirt, der nicht genug Worte zum Abschied fi nden konnte, und ritt auf demselben Weg, den er gekommen war, davon.
    Als Caderousse sich umwandte, sah er hinter sich seine Frau, bleicher und mehr zitternd denn je.
    »Ist das wirklich wahr, was ich gehört habe?« fragte sie.
    »Was? Daß er uns den Diamanten für uns allein gegeben hat?«
    fragte Caderousse, fast närrisch vor Freude.
    »Ja.«
    »So wahr wie nur etwas, denn da ist er.«
    Die Frau besah den Stein einen Augenblick, dann sagte sie mit dumpfer Stimme:
    »Und wenn er falsch ist?«
    Caderousse erblaßte und wankte.
    »Falsch«, murmelte er, »falsch … Und weshalb hätte mir dieser Mann einen falschen Diamanten geben sollen?«
    »Um dein Geheimnis zu bekommen, ohne etwas dafür zu zahlen, Dummkopf!«
    Caderousse war einen Augenblick wie betäubt. »Oh«, sagte er dann, indem er seinen Hut ergriff und aufsetzte, »das werden wir bald wissen.«
    »Wie denn das?«
    »In Beaucaire ist heute Messe; dort sind Juwelenhändler aus Paris, und denen will ich den Stein zeigen. Paß auf, ob jemand kommt, Frau; in zwei Stunden bin ich wieder da.«
    Und Caderousse stürzte aus dem Haus und lief in der entgegengesetzten Richtung zu der, die der Unbekannte eingeschlagen hatte, davon.
    »Fünfzigtausend Franken!« murmelte die Wirtin. »Das ist Geld …
    Aber es ist kein Vermögen.«
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    Am nächsten Tag erschien beim Bürgermeister von Marseille ein etwa dreißig bis zweiunddreißig Jahre alter Herr in kornblumen-blauem Frack, Nankinghosen und weißer Weste, der in Haltung und Sprache den Engländer verriet.
    »Herr Bürgermeister«, sagte der Fremde, »ich bin der erste Kommis des Hauses Th
    omson und French in Rom. Wir stehen seit zehn
    Jahren mit dem hiesigen Haus Morrel und Sohn in Verbindung; wir sind in dieser Verbindung mit etwa hunderttausend Franken enga-giert und nicht ohne Besorgnis, da es heißt, daß dieses Haus in bedrohter Lage ist. Ich bin nun wegen dieser Angelegenheit von Rom hierher gereist, um Sie um Auskunft darüber zu bitten.«
    »Ich weiß in der Tat, mein Herr«, antwortete der Bürgermeister,
    »daß Herrn Morrel seit vier oder fünf Jahren das Unglück zu verfolgen scheint; er hat nacheinander vier oder fünf Schiff e verloren und ist durch drei oder vier Bankrotte in Mitleidenschaft gezogen worden, aber obgleich ich selbst mit etwa zehntausend Franken sein Gläubiger bin, so kommt es mir doch nicht zu, irgendwelche Auskunft über den Stand seines Vermögens zu geben. Fragen Sie mich als Bürgermeister, was ich von Herrn Morrel denke, so antworte ich Ihnen, er ist ein bis zur Genauigkeit

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