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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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möchten also Einsicht in das nehmen, was sich auf Ihren armen Abbé bezieht, der die Sanftmut selbst war?«
    »Ich täte es sehr gern.«
    »Treten Sie in mein Bureau, ich werde es Ihnen zeigen.«
    Beide gingen in das Bureau des Herrn von Boville. Der Inspektor ließ den Engländer in seinem Lehnstuhl Platz nehmen und legte das Register von Schloß If vor ihn hin. Er ließ ihm Zeit, es zu durchblättern, während er selbst, in einer Ecke sitzend, seine Zeitung las.
    Der Engländer fand leicht die auf den Abbé Faria bezügliche Akte; aber die Geschichte, die ihm Herr von Boville erzählt hatte, mußte ihn wohl lebhaft interessiert haben, denn, nachdem er diese Akte eingesehen hatte, blätterte er weiter, bis er an die Akten über Edmund Dantès kam. Er fand da alles an seinem Platz, die Anzeige, das Verhör, eine Eingabe Morrels und die Anmerkung des Herrn von Villefort. Er faltete vorsichtig die Anzeige zusammen und steckte sie in die Tasche, dann las er das Verhör und sah, daß der Name Noirtier nicht erwähnt war; schließlich las er die vom zehnten April  datierte Eingabe Morrels, in der dieser nach dem Rate des Staatsanwalts in bester Absicht, da Napoleon damals regierte, die Dienste, die Dantès der kaiserlichen Sache geleistet hatte, übertrieben hatte, während Villefort alles bestätigt hatte. Nun begriff er völlig. Dieses von Villefort aufbewahrte Gesuch an Napoleon war unter der zweiten Restauration eine schreckliche Waff e in den Händen des Staatsanwalts geworden. Er wunderte sich deshalb nicht mehr, als er folgende Notiz fand:
    »Edmund Dantès: Wütender Bonapartist; hat tätigen Anteil an der Rückkehr Napoleons von der Insel Elba genommen. – In größter Abge-schlossenheit und strengster Überwachung zu halten.«
    Unter diesen Zeilen stand in einer anderen Handschrift:
    »In Anbetracht obiger Notiz nichts zu machen.«
    Ein Vergleich der Handschrift der Notiz mit derjenigen der Be-glaubigung unter der Eingabe Morrels gab ihm die Gewißheit, daß beide von derselben Hand herrührten, nämlich von der Villeforts.
    Die letzte Zeile mußte von irgendeinem Inspektor eingetragen sein, der an Dantès’ Lage ein vorübergehendes Interesse genommen, dem es aber die Notiz unmöglich gemacht hatte, diesem Interesse nachzugehen.
    Wie gesagt, hatte sich der Inspektor, um den Schüler des Abbés Faria in. seinen Nachforschungen nicht zu stören, abseits gesetzt und las die Zeitung.
    Er sah also nicht, wie der Engländer die von Danglars in der
    »Réserve« geschriebene Anzeige, die den Poststempel »Marseille,
    . Februar,  Uhr abends« trug, zusammenfaltete und in die Tasche steckte.
    Wir müssen aber sagen, daß, selbst wenn er es gesehen hätte, er diesem Papier zu geringe Wichtigkeit, seinen zweimalhunderttausend Franken aber viel zu große Wichtigkeit beilegte, um sich dem Tun des Engländers, so ungehörig es war, zu widersetzen.
    »Ich danke«, sagte dieser, indem er das Register laut zuschlug. »Ich habe, was ich brauche; jetzt ist es an mir, mein Versprechen zu halten. Stellen Sie mir eine einfache Übertragung Ihres Guthabens aus; bescheinigen Sie darin, daß Sie den Betrag empfangen haben, und ich werde Ihnen die Summe aufzählen.«
    Er machte Herrn von Boville am Schreibtisch Platz. Der Inspektor setzte sich ohne weiteres und stellte die gewünschte Übertragung aus, während der Engländer die Banknoten abzählte.
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    Wer vor Jahren Marseille verlassen hätte und jetzt zurückgekehrt wäre, hätte im Hause Morrel eine große Veränderung vorgefunden.
    Statt jener Atmosphäre von Glück und Behagen, die ein blühendes Geschäftshaus auszuströmen pfl egt, wäre ihm auf den ersten Blick etwas Trauriges und Totes aufgefallen. In den Kontoren, die früher von zahlreichen Angestellten bevölkert wurden, waren nur noch zwei zurückgeblieben. Der eine war ein junger Mann von dreiund-zwanzig oder vierundzwanzig Jahren, namens Emanuel Raymond, der die Tochter des Herrn Morrel liebte und trotz der Einwände seiner Angehörigen dem Hause Morrel treu geblieben war; der andere war ein alter einäugiger Kassengehilfe namens Cocles – ein Spitzname, den ihm früher die jungen Leute gegeben hatten und der seinen eigentlichen Namen so vollständig ersetzt hatte, daß er sich nicht einmal umgewandt hätte, wenn man ihn heute mit diesem Namen gerufen hätte.
    Cocles war im Dienste des Herrn Morrel geblieben, und es war in der Stellung des Braven eine sonderbare

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