Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
Vom Netzwerk:
Schakals. Nichtsdestoweniger lag in seinem Gesicht ein Ausdruck von lächelnder Sanftmut, den Franz noch nie an ihm bemerkt hatte; zumal seine schwarzen Augen blickten milde und verschleiert.
    In dem Augenblick, als Peppino am Fuß der Guillotine angelangt war, kam ein Büßender, der sich verspätet zu haben schien, durch-drang die Reihen der Soldaten, ohne daß sie ihm Widerstand leisteten, ging zu dem Oberhaupt der Brüderschaft und überreichte ihm ein vierfach zusammengelegtes Papier. Peppinos glühender Blick verlor keinen dieser Vorgänge; das Oberhaupt der Brüderschaft ent-faltete das Papier, las es und hob seine Hand empor, worauf er mit lauter, vernehmlicher Stimme sprach: »Der Herr sei gebenedeiet und hochgelobt Seine Heiligkeit! Das Leben eines der Verurteilten ist begnadigt!«
    »Gnade!« rief das Volk mit einem Schrei. »Gnade!«
    Bei dem Wort »Gnade« fuhr Andrea auf und richtete den Kopf empor. »Gnade – für wen?« rief er.
    Peppino blieb unbeweglich, stumm und keuchend.
    »Dem Peppino, genannt Rocca Priori, ist die Todesstrafe erlassen«, sprach das Oberhaupt der Brüderschaft. Er überreichte das Papier dem Hauptmann der Karabinieri, der es las und wieder zu-rückgab.
    »Gnade für Peppino!« schrie Andrea, völlig aus dem Zustand der Erstarrung gerissen, in die er versunken zu sein schien. »Warum Gnade für ihn und nicht für mich? Wir sollten zusammen sterben, man hat es mir versprochen, er würde vor mir sterben; man hat nicht das Recht, mich allein sterben zu lassen; ich will nicht allein sterben, ich will nicht!«
    Er riß sich von den beiden Geistlichen los, krümmte sich, heulte, brüllte und machte wahnsinnige Anstrengungen, die Stricke, mit denen ihm die Hände gefesselt waren, zu zerreißen. Der Scharfrichter gab seinen Gehilfen ein Zeichen, sie sprangen vom Schafott herab und bemächtigten sich des Verbrechers.
    Die beiden Henkersknechte trugen Andrea auf das Schafott; das ganze Volk erklärte sich gegen ihn, und zwanzigtausend Stimmen schrien auf einmal: »Zum Tode mit ihm, zum Tode!« Franz warf sich zurück, allein der Graf faßte ihn am Arm und hielt ihn am Fenster fest.
    Die Henkersknechte zwangen den Verbrecher trotz seines Sträubens, Beißens und Kreischens, sich auf die Knie niederzulassen; unterdessen stellte sich der Henker an seine Seite und erhob die Keule. Die beiden Gehilfen zogen sich auf einen Wink zurück. Der Verurteilte wollte sich wieder aufrichten, doch ehe er dazu noch Zeit fand, fi el die Keule auf seine linke Schläfe; man vernahm einen dumpfen Schlag, und der Unglückliche stürzte wie ein Stier mit dem Angesicht zu Boden.
    Jetzt konnte es Franz nicht mehr ertragen; er trat zurück und sank halb ohnmächtig auf einen Lehnstuhl.
    Albert blieb mit geschlossenen Augen stehen und klammerte sich an die Fenstervorhänge.
    Der Graf stand aufrecht und triumphierend wie der böse Engel.
    Als Franz wieder zu sich kam, sah er Albert, der eben ein Glas Wasser trank, und den Grafen, der bereits in seinem Bajazzokostüm steckte. Er richtete seine Blicke auf die Piazza; alles war verschwunden, die Guillotine, die Henker, die Todesopfer; man sah nur noch das lärmende, wogende, lustige Volk; die Glocke von Monte Citorio, die nur bei dem Tode des Papstes und bei der Eröff nung des Karnevals erschallt, ließ sich in lauten Schwingungen vernehmen.
    »Was ist aus Peppino geworden?« fragte Franz den Grafen.
    »Peppino ist ein verständiger Bursche, ohne die mindeste Eitelkeit; er war, wider die Gewohnheit der Menschen, die wütend werden, wenn man sich nicht mit ihnen beschäftigt, entzückt, als er sah, daß die allgemeine Aufmerksamkeit auf seinen Kameraden gerichtet war. Infolgedessen benützte er den Augenblick, schlüpfte unter das Menschengewühl und verschwand, ohne selbst den würdigen Priestern zu danken, die ihn begleitet hatten. Der Mensch ist entschieden ein sehr undankbares und höchst selbstsüchtiges Tier. –
    Aber kleiden Sie sich an, sehen Sie, Herr von Morcerf gibt Ihnen das Beispiel.«
    Franz fuhr in seinen Anzug, den ihm der Graf vorbereitet hatte, und nahm seine Maske, die nicht bleicher war als sein Gesicht. Als die Toilette beendet war, ging man hinab. Der Wagen wartete am Tor und war voll von Konfetti und Blumensträußen. Man schloß sich dem Zug der andern Wagen an.
    Es ist schwer, sich einen Begriff von der Verwandlung zu machen, die vor sich gegangen war. Statt der düstern Todesszene bot die Piazza del Popolo den Anblick einer tollen und

Weitere Kostenlose Bücher