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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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rauschenden Orgie.
    Eine Fülle von Masken ergoß sich, brach von allen Seiten hervor, schlüpfte aus allen Türen, stieg von allen Fenstern herab; die Wagen rollten von allen Straßenecken heran, voll von Pierrots, Harlekinen, Dominos, Marquis, Trasteverinern, Hanswursten, Kavalieren und Bauern; alles das schrie und gestikulierte, warf mit Mehl, gefüllten Eiern, Konfetti und Sträußen, griff mit Worten und Wurfgeschossen Freunde, Fremde, Bekannte und Unbekannte an, ohne daß einer etwas andres tat als lachen.
    Der Graf verließ die Freunde bald, nachdem er ihnen seinen Wagen zur Verfügung gestellt hatte. Franz dankte dem Grafen für sein höfl iches Anerbieten. Albert kokettierte in diesem Augenblick mit einem Wagen voll römischer Bäuerinnen, den er mit Blumensträußen überschüttete. Zu seinem Leidwesen setzte sich der Wagenzug in Bewegung, und während er auf die Piazza del Popolo zufuhr, rollte jener Wagen, der seine Teilnahme erweckt hatte, zurück in Richtung auf den venezianischen Palast.
    »Ah, mein Lieber«, sagte Albert, »sehen Sie den Wagen nicht, der dort dahinfährt, voll von römischen Bäuerinnen?«
    »Nein.«
    »Oh, ich bin überzeugt, das sind reizende Frauen.«
    »Welches Unglück, daß sie maskiert sind, mein lieber Albert«, sagte Franz; »das hätte ein hübsches Liebesabenteuer für Sie geben können.«
    Der ganze übrige Tag verging ohne ein andres Abenteuer als die wiederholte zwei- oder dreimalige Begegnung der Kalesche mit den römischen Bäuerinnen; und bei solch einem Zusammentreff en machte sich Alberts Maske los, mag es nun aus Zufall oder ab-sichtlich geschehen sein. Bei dieser Gelegenheit warf er den ganzen Überrest der Blumensträuße in die Kalesche hinüber. Eine dieser schönen Frauen, die Albert unter dem lockenden Kostüm vermutete, wurde ohne Zweifel von dieser zarten Aufmerksamkeit gerührt, denn als der Wagen der zwei Freunde nochmals vorüberfuhr, warf sie ein Veilchenbukett hinein. Albert stürzte sich auf diesen Strauß.
    »Sehen Sie«, sprach Franz zu ihm, »das ist ein Anfang zu einem Abenteuer.«
    Am nächsten Tag konnte Albert das Gesicht seiner schönen Unbekannten sehen, da sie einen Augenblick lang ihre Maske in die Höhe hob. Sie war reizend.
    Er warf ihr ein in einem großen Strauß verstecktes Briefchen in den Wagen und erhielt auf dieselbe Art eine Antwort von ihr.
    Triumphierend zeigte er sie Franz.
    Franz nahm das Billett und las:
    »Dienstag abend um sieben Uhr steigen Sie vor der Via dei Pontefi ci aus Ihrem Wagen und folgen der römischen Bäuerin, die Ihnen Ihr Moccoletto entreißen wird. Wenn Sie bei der ersten Stufe der Kirche San Giacomo anlangen, befestigen Sie, um von ihr erkannt zu werden, ein rosa Band an den Schultern Ihres Bajazzokleides.
    Bis dahin werden Sie mich nicht mehr sehen.
    Standhaftigkeit und Verschwiegenheit!«
    Als Franz diese Zeilen gelesen hatte, sprach Albert zu ihm:
    »Lieber Freund, was halten Sie von der Sache?«
    »Ich denke«, sprach dieser, »die Sache bekommt so ganz den Charakter eines angenehmen Abenteuers.«
    »Das ist auch meine Meinung«, sagte Albert, »und ich werde Dienstag abend zur Stelle sein.«
    Der Dienstag, der letzte und ausgelassenste Tag des Karnevals, kam heran. Gegen Abend traten die Moccoli-Verkäufer auf den Schauplatz. Die Moccoli oder Moccoletti sind Kerzen von verschiedener Größe. Man zündet sie an, und nun kommt es darauf an: erstens, sein eigenes Moccoletto brennend zu erhalten, und zweitens, das Moccoletto anderer auszulöschen.
    Die Nacht kam rasch, und schon begannen zwei oder drei Sterne am Firmament zu fl immern. Das war gleichsam ein Signal. Nach zehn Minuten brannten fünfzigtausend Lichter vom venezianischen Palast herab bis zur Piazza del Popolo, und von der Piazza del Popolo wieder hinauf bis zum venezianischen Palast.
    Das tolle Umherlaufen mit den Lichtern dauerte ungefähr zwei Stunden; der Korso war so licht wie am hellen Tage, man konnte die Züge der Zuschauer noch im dritten und vierten Stockwerk unterscheiden. Albert zog alle fünf Minuten seine Uhr hervor; endlich zeigte sie die siebente Stunde. Die beiden Freunde befanden sich gerade auf der Höhe der Via dei Pontefi ci.
    Albert sprang aus dem Wagen, sein Moccoletto in der Hand, und eilte auf die Stufen der Kirche San Giacomo zu. Franz folgte Albert mit den Augen und sah, wie er die erste Stufe betrat. Fast im selben Augenblick streckte eine Maske im Kostüm einer römischen Bäuerin den Arm aus und entriß ihm das

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