Der Graf von Monte Christo 1
Welchen Einfl uß sollte ich denn nach Ihrer Meinung auf diesen Banditen haben?«
»Haben Sie ihm nicht jüngst einen Dienst geleistet?«
»Welchen?«
»Haben Sie nicht Peppino das Leben gerettet?«
»Ah, Ah!« rief der Graf. »Wer hat Ihnen das gesagt?«
»Was liegt daran, ich weiß es.«
Der Graf verstummte einen Augenblick und runzelte die Stirn.
»Und wenn ich Vampa aufsuchte, würden Sie mich begleiten?«
»Falls Ihnen meine Gesellschaft nicht lästig fi ele.«
»Gut, es sei! Das Wetter ist schön, eine Promenade in die Campagna von Rom kann uns nur wohltun. Wo ist der Mensch, der dieses Briefchen brachte?«
»Auf der Straße.«
Der Graf trat an das Fenster, das auf die Gasse ging, und pfi ff auf eine bestimmte Weise. Der Mann im Mantel entfernte sich von der Mauer und ging vorwärts in die Mitte der Gasse.
»Salite!« sprach der Graf in einem Ton, als hätte er seinem Diener einen Befehl gegeben.
Nach fünf Sekunden war der Bote an der Tür des Zimmers.
»Du bist es, Peppino!« sprach der Graf. »Wie ist Graf Albert in die Hände Luigis geraten?«
»Exzellenz, der Wagen des Franzosen fuhr mehrere Male an der Kalesche vorüber, in der Teresa war.«
»Die Geliebte des Hauptmanns?«
»Ja; der Franzose warf ihr Liebesblicke zu, Teresa erwiderte sie aus Spaß. Der Franzose warf Sträuße in den Wagen, sie warf ihm welche zurück. Alles das geschah, wohlverstanden, mit Einwilligung des Hauptmanns, der in demselben Wagen saß.«
»Wie«, rief Franz, »Luigi Vampa war in dem Wagen der römischen Bäuerinnen?«
»Er war es, der sie als Kutscher verkleidet führte«, antwortete Peppino.
»Und dann?« fragte der Graf.
»Dann nahm der Franzose die Maske ab; Teresa tat dasselbe, stets mit Einwilligung des Hauptmanns. Der Franzose bat um ein Stelldichein, Teresa gewährte es ihm; nur war es Beppo anstatt Teresa, der sich an den Stufen der Kirche San Giacomo eingefunden hatte.«
»Wie«, fi el Franz abermals ein, »die Bäuerin, die ihm das Moccoletto entrissen hat?«
»Das war ein junger Bursche von fünfzehn Jahren«, antwortete Peppino; »aber es gereicht Ihrem Freund nicht zur Schande, daß er sich so fangen ließ; Beppo hat schon viele andere gefangen.«
»Und Beppo führte ihn vor die Stadt hinaus?« fragte der Graf.
»Ja, ein Wagen wartete am Ausgang der Via Macello, Beppo stieg ein und forderte den Franzosen auf, ihm zu folgen; er ließ es sich nicht zweimal sagen. Er bot Beppo recht artig die Hand und nahm neben ihm Platz; dann eröff nete ihm Beppo, daß er ihn nach einer Villa führe, die eine Meile von Rom entfernt liegt. Der Franzose be-teuerte Beppo, er wolle bis ans Ende der Welt folgen. Der Kutscher fuhr durch die Via di Ripetta, gelangte zur Porta di San Paolo, und als der Franzose nach zweihundert Schritten in der Campagna etwas zu kühn wurde, meiner Treu, da setzte ihm Beppo ein Paar Pistolen an die Kehle; der Kutscher hielt die Pferde sogleich an, kehrte sich auf seinem Sitz um und machte es ebenso. Zu gleicher Zeit sprangen vier unsrer Kameraden, die am Ufer des Almo verborgen lagen, an die Kutschenschläge. Der Franzose setzte sich zur Wehr und hat auch Beppo ein wenig gewürgt, wie ich sagen hörte; allein es ließ sich gegen fünf bewaff nete Männer nichts ausrichten, er mußte sich ergeben; man ließ ihn aus dem Wagen steigen, folgte dem Ufer des kleinen Baches und führte ihn zu Teresa und Luigi, die seiner schon in den Katakomben von San Sebastiano harrten.«
Der Graf wandte sich zu Franz und sagte: »Sind Sie noch immer entschlossen, mich zu begleiten?«
»Mehr als jemals.«
»Gut, kommen Sie.«
Der Graf bestellte seinen Wagen, und beide gingen. Peppino folgte ihnen.
Eine kurze Strecke vor dem Zirkus Caracalla hielt der Wagen still; Peppino öff nete den Schlag, und der Graf stieg mit Franz aus.
»In zehn Minuten«, sprach der Graf zu seinem Gefährten, »haben wir unser Ziel erreicht.«
Hierauf nahm er Peppino beiseite und gab ihm leise einen Auftrag; Peppino nahm eine Fackel aus dem Koff er des Wagens und ging fort.
Es verstrichen wieder fünf Minuten, während Franz den Hirten auf einem schmalen Fußsteig mitten unter den Hügelreihen sich entfernen und in dem hohen, rötlichen Gras verschwinden sah.
»Nun, gehen wir ihm nach«, sagte der Graf.
Franz und der Graf begaben sich auf den Fußpfad, auf dem sie nach hundert Schritten in ein enges Tal gelangten. Bald darauf sah man zwei Männer, die im Schatten plauderten.
Einer von diesen Männern war Peppino, der
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