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Der Graf von Monte Christo 1

Der Graf von Monte Christo 1

Titel: Der Graf von Monte Christo 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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daß ich diese Frage stelle.«
    »Sie ist durchaus nicht indiskret«, antwortete Morcerf mit der Einfachheit der Überzeugung, »und Sie haben richtig geraten; es sind die Wappen meines Vaters und meiner Mutter. Mütterlicherseits bin ich ein Spanier, aber das Haus Morcerf ist französisch und, wie ich gehört habe, sogar eines der ältesten Südfrankreichs.«
    »Ja«, entgegnete Monte Christo, »das zeigen die Vögel im Wappen.
    Fast alle bewaff neten Pilger, die auszogen, um das Grab des Erlösers zu erobern, nahmen entweder Kreuze als Zeichen der heiligen Mission oder Zugvögel als Symbole der langen Reise, die sie vor-hatten, in ihr Wappen. Einer Ihrer Ahnen väterlicherseits wird einen der Kreuzzüge mitgemacht haben, und nehmen wir nur an, daß er sich an dem des heiligen Ludwig beteiligte, so führt uns das schon ins dreizehnte Jahrhundert zurück, was schon allerhand hei-
    ßen will. Übrigens sind Ihre Wappen wirklich sehr schön, sie sprechen die Phantasie an. Sie sind zugleich provenzalischer und spanischer Abkunft, und das erklärt, wenn das Bild, das Sie mir gezeigt haben, ähnlich ist, die schöne braune Farbe auf dem Gesicht der edlen Katalonierin, die ich so sehr bewundert habe.«
    Morcerf dankte mit einem Lächeln und öff nete die Tür. An der am meisten in die Augen fallenden Stelle des Salons, den sie betra-ten, hing das Porträt eines Mannes von fünfunddreißig Jahren in Generalsuniform, mit dem Bande der Kommandeure der Ehrenlegion um den Hals, dem Stern der Großoffi
    ziere des Ordens des
    Erlösers und dem Großkreuz Karls III.
    Monte Christo prüfte das Bildnis mit derselben Aufmerksamkeit wie das andere, als eine Seitentür sich öff nete und der Graf von Morcerf selbst erschien.
    Es war ein Mann, der wie ein Fünfziger aussah, aber in Wirklichkeit jünger sein mochte, und dessen schwarzer Schnurrbart und schwarze Augenbrauen in seltsamem Gegensatz zu dem nach militärischer Art bürstenförmig geschnittenen, fast weißen Haupthaar standen. Er trug bürgerliche Kleidung; ein Band im Knopfl och ließ an den verschiedenen Einfassungen die verschiedenen Orden, die er besaß, erkennen. Er trat mit vornehmer Haltung ein, schien sich aber dabei gleichzeitig zu beeilen, den Fremden freundlich zu empfangen. Monte Christo sah ihn auf sich zukommen, ohne einen Schritt zu tun; seine Füße schienen so fest am Boden zu wurzeln wie seine Augen auf dem Gesicht des Grafen Morcerf.
    »Vater«, sagte der junge Mann, »ich habe die Ehre, Ihnen den Herrn Grafen von Monte Christo vorzustellen, den edlen Freund, dem ich das Glück hatte, unter den schwierigen Verhältnissen, die Sie kennen, zu begegnen.«
    »Sie sind uns willkommen«, sagte der Graf von Morcerf, indem er Monte Christo mit einem Lächeln begrüßte; »Sie haben unserm Haus, dem Sie den einzigen Erben erhielten, einen Dienst geleistet, der Ihnen auf unsere ewige Dankbarkeit Anspruch gibt.«
    Bei diesen Worten bot der Graf von Morcerf seinem Gast einen Lehnstuhl an, während er selbst gegenüber dem Fenster Platz nahm. Monte Christo setzte sich so, daß er im Schatten der gro-
    ßen Samtvorhänge blieb. So konnte er ungestört das Gesicht des Grafen betrachten. In den müden Zügen und den Runzeln dieses Gesichts konnte er eine ganze Geschichte von geheimen Schmerzen und Sorgen lesen.
    »Die Frau Gräfi n«, sagte Morcerf, »war bei ihrer Toilette, als der Vicomte sie von Ihrem Besuch benachrichtigte; sie wird herunterkommen und in zehn Minuten im Salon sein.«
    »Es ist eine große Ehre für mich«, entgegnete Monte Christo, »sogleich bei meiner Ankunft in Paris mit einem Mann bekannt zu werden, dessen Verdienst seinem Ruf gleichkommt und den das so ungerechte Glück ausnahmsweise mit Recht begünstigt. Aber hat es Ihnen nicht noch einen Marschallsstab anzubieten?«
    »Oh«, antwortete Morcerf, etwas errötend, »ich habe den Dienst quittiert. Unter der Restauration zum Pair ernannt, machte ich den ersten Feldzug mit und diente unter dem Marschall Bourmont; ich konnte also auf ein höheres Kommando Anspruch erheben, und wer weiß, was geschehen wäre, wenn die ältere Linie auf dem Th ron geblieben wäre! Aber die Julirevolution war, wie es scheint, glorreich genug, um es sich erlauben zu können, undankbar zu sein; sie war es für jeden Dienst, der nicht in der Kaiserzeit geleistet worden war; ich verlangte also meine Entlassung, denn wenn man sich die Epauletten auf dem Schlachtfeld verdient hat, fi ndet man sich auf dem glat-ten Boden des

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