Der Graf von Monte Christo 2
en wurde. Neben ihr stand Fräulein Louise d’Armilly, ihre Gesellschafterin, die dem Grafen für die Empfehlungsbriefe dankte, die er ihr liebenswürdigerweise für Italien gegeben hatte und von denen sie, wie sie sagte, sofort Gebrauch machen würde.
Als er die Damen verließ, wandte er sich um und befand sich neben Danglars, der herangekommen war, um ihm die Hand zu geben.
Nachdem er diese drei geselligen Pfl ichten erfüllt hatte, sah er sich im Saal um. Andrea, der in einem anstoßenden Salon war, bemerkte das Aufsehen, das Monte Christo in der Gesellschaft gemacht hatte, und eilte herbei, um ihn zu begrüßen.
In diesem Augenblick traten die Notare ein und legten ihre Map-pen auf die goldgestickte Samtdecke des für die Unterzeichnung her-gerichteten Tisches. Einer der Notare setzte sich, der andere blieb stehen; man begann den Kontrakt zu verlesen, den das bei dieser Feierlichkeit anwesende halbe Paris unterzeichnen sollte. Die Damen nahmen im Halbkreis Platz, während die Herren ihre Bemerkungen über die fi eberhafte Aufgeregtheit Andreas, den Ernst Danglars’, die Gleichgültigkeit Eugenies und die leichte Weise, mit der die Baronin diese wichtige Angelegenheit behandelte, austauschten. Sobald der Text verlesen war, begann das Gespräch in den Salons mit verdoppelter Stärke. Diese großen Summen, diese Millionen, die die Zukunft der beiden jungen Leute überglänzten, zusammen mit der Aussteuer und dem Schmuck der jungen Frau, die in einem ausschließlich für diesen Zweck bestimmten Zimmer ausgestellt waren, machten Eindruck auf die neidische Versammlung.
Andrea, dem seine Freunde die Hand schüttelten und Glück wünschten, begann an die Wirklichkeit des Traumes zu glauben.
Er war nahe daran, den Kopf zu verlieren. Der Notar ergriff feierlich die Feder, hob sie empor und sagte: »Meine Herren, nun zur Unterzeichnung des Kontrakts.«
Der Baron nahm die Feder und unterzeichnete, dann der Bevoll-mächtigte des alten Cavalcanti.
Die Baronin trat am Arm der Frau von Villefort an den Tisch.
»Meine Liebe«, sagte sie, während ihr die Feder gereicht wurde,
»es ist zu schade. Ein unerwarteter Zwischenfall in dieser Raubmord-geschichte, dessen Opfer beinahe der Herr Graf von Monte Christo geworden wäre, hindert Herrn von Villefort leider daran, hier anwesend zu sein.«
»Wahrhaftig?« bemerkte Danglars in demselben Ton, in dem er gesagt hätte: »Meiner Treu, das ist mir höchst gleichgültig!«
»Ich fürchte, die unfreiwillige Ursache dieser Abwesenheit zu sein«, sagte Monte Christo näher tretend.
»Wie! Sie, Herr Graf?« fragte Frau Danglars, während sie unterzeichnete. »Wenn dem so ist, nehmen Sie sich in acht, ich werde es Ihnen nie verzeihen.«
Andrea spitzte die Ohren.
»Mich würde indessen keine Schuld treff en«, sagte der Graf, »und es liegt mir daran, das zu beweisen.«
Man hörte begierig zu: Monte Christo, der so selten den Mund öff nete, wollte sprechen.
»Sie erinnern sich«, sagte der Graf, während um ihn herum das tiefste Stillschweigen herrschte, »daß jener Unglückliche, der mich bestehlen wollte und beim Verlassen meines Hauses, wie man glaubt, von seinem Spießgesellen ermordet wurde, in meiner Wohnung gestorben ist?«
»Ja«, sagte Danglars.
»Nun, um ihm zu helfen, hatte man ihn entkleidet und seine Kleider in einen Winkel geworfen, wo das Gericht sie an sich genommen hat. Das Gericht nahm aber nur den Rock und die Beinkleider und vergaß die Weste.«
Andrea erbleichte sichtlich und bewegte sich langsam auf die Tür zu.
»Nun wohl, diese Weste hat man heute, ganz mit Blut bedeckt und an der Stelle des Herzens durchstochen, aufgefunden«, sagte Monte Christo.
Die Damen stießen einen Schrei aus, und einige bereiteten sich vor, in Ohnmacht zu fallen.
»Man hat sie zu mir gebracht. Niemand konnte erraten, woher dieser Lumpen komme; ich allein dachte daran, daß es wahrscheinlich die Weste des Opfers sei. Mein Kammerdiener, der mit Ekel und Vorsicht diese Reliquie durchsuchte, fühlte plötzlich ein Papier in der Tasche und zog es heraus; es war ein Brief – wissen Sie, an wen adressiert? An Sie, Baron.«
»An mich?« rief Danglars.
»Ja, an Sie; es gelang mir, unter den Blutfl ecken Ihren Namen zu entziff ern«, antwortete Monte Christo unter allgemeiner Überraschung.
»Aber inwiefern behindert das Herrn von Villefort?« fragte Frau Danglars, indem sie ihren Mann voll Unruhe ansah.
»Ganz einfach, gnädige Frau«, antwortete Monte Christo, »diese
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