Der Graf von Monte Christo 2
Graf.«
»Nun?«
»Einen Rat.«
»Sehen Sie sich vor; ein Rat, das ist schlimmer als ein Dienst.«
»Diesen können Sie mir ruhig geben.«
»Sprechen Sie.«
»Die Mitgift meiner Frau beträgt fünfhunderttausend Livres.«
»Das ist die Ziff er, die mir von Herrn Baron Danglars selbst genannt worden ist.«
»Nehme ich sie an, oder lasse ich sie in den Händen des Notars?«
»Die Dinge gehen in feinen Kreisen gewöhnlich folgendermaßen vor sich: Ihre beiden Notare kommen am folgenden oder zweitfol-genden Tag nach der Unterzeichnung des Kontrakts zusammen und wechseln die Mitgiften aus, worüber sie sich gegenseitig Quittungen ausstellen; ist die Heirat vollzogen, stellen sie Ihnen als Haupt der Gemeinschaft die Millionen zur Verfügung.«
»Hm«, sagte Andrea mit einer gewissen schlecht verhehlten Unruhe, »ich glaubte von meinem Schwiegervater gehört zu haben, daß er die Absicht habe, unser Vermögen bei diesem Eisenbahngeschäft anzulegen.«
»Aber das ist ja, wie alle Welt versichert, ein Mittel, um Ihre Kapitalien in einem Jahr zu verdreifachen. Der Baron von Danglars ist ein guter Vater und versteht zu rechnen.«
»Nun denn«, sagte Andrea, »so geht alles gut, bis auf Ihre Ablehnung, die mir sehr nahegeht.«
»Schreiben Sie die nur Bedenken zu, die unter solchen Umständen sehr natürlich sind.«
»Nun, so sei es denn, wie Sie wollen«, sagte Andrea. »Also auf heute abend neun Uhr.«
»Auf heute abend.«
Und trotz eines leichten Widerstrebens von seiten Monte Christos, dessen Lippen blaß wurden, der aber doch sein förmliches Lächeln bewahrte, ergriff Andrea die Hand des Grafen, drückte sie, sprang in seinen Phaëton und verschwand.
Die vier oder fünf Stunden, die Andrea bis zur neunten Stunde blieben, benutzte er zu Besuchen, um die Freunde, von denen er gesprochen hatte, zu veranlassen, mit dem ganzen Luxus ihrer Equipagen bei dem Bankier zu erscheinen. Er sprach überall von den Aussichten der geplanten großartigen Unternehmungen seines Schwiegervaters und blendete seine Freunde damit.
Um halb neun Uhr abends waren der große Saal und die ansto-
ßenden Gemächer im Danglarsschen Haus von einer parfümierten Menge erfüllt, die weniger die Teilnahme als das unwiderstehliche Bedürfnis anzog, dabeizusein, wo es etwas Neues gab. Die Gemächer mit ihrer geschmacklosen und protzenhaften Einrichtung waren in ein Lichtmeer getaucht.
Danglars hatte seine Tochter Eugenie nur dadurch bewegen können, diese Ehe einzugehen, daß er ihr gesagt hatte, er sei ruiniert, wenn seinem Kredit nicht durch diese Verbindung aufgeholfen wür-de. Jetzt erschien sie mit der elegantesten Einfachheit gekleidet: eine weiße gestickte Seidenrobe, eine halb in ihrem schwarzen Haar versteckte weiße Rose bildeten ihren ganzen Schmuck.
Dreißig Schritt von ihr plauderte Frau Danglars mit Debray, Beauchamp und Château-Renaud. Herr Danglars erklärte in einem Kreis von Deputierten und Finanzmännern das System einer neuen Steuerverteilung, die er einzuführen gedachte, wenn die Macht der Verhältnisse die Regierung gezwungen haben würde, ihn ins Ministerium zu berufen.
Andrea, der einen der ersten Stutzer der Oper untergefaßt hatte, setzte ihm, um ungezwungen zu erscheinen, auseinander, wie er in Zukunft zu leben gedenke und welchen Luxus er mit seinen hundertfünfundsiebzigtausend Livres Rente in Paris entfalten werde.
Jeden Augenblick rief die Stimme des Lakaien einen angesehenen Namen aus der Finanzwelt, der Armee oder der Gelehrten- und Schriftstellerwelt, worauf eine schwache Bewegung in den Gruppen folgte. In dem Augenblick, da die goldene Stutzuhr neun schlug, ertönte der Name des Grafen Monte Christo, und die Blicke richteten sich auf die Tür.
Der Graf war mit seiner gewöhnlichen Einfachheit gekleidet; die Blässe seines männlichen Gesichts hob sich scharf von dem Schwarz des Anzugs ab. Es bildete sich sofort ein Kreis um die Tür. Der Graf warf einen Blick auf seine Umgebung; er bemerkte Frau Danglars in einer Ecke des Salons, Herrn Danglars in einer andern und Fräulein Eugenie neben sich. Er näherte sich zuerst der Baronin, die mit Frau von Villefort sprach; letztere war allein erschienen, da Valentine noch immer leidend war. Dann ging er durch die sich vor ihm öff nende Gasse von der Baronin zu Eugenie, der er in einigen wenigen und zurückhaltenden Worten seinen Glückwunsch aussprach, so daß die stolze Künstlerin – sie bildete sich ein, eine große Musikerin zu sein –
davon betroff
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