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Der Graf von Monte Christo 2

Der Graf von Monte Christo 2

Titel: Der Graf von Monte Christo 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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hindert mich nichts, so fein wie ein anderer zu gehen, da ich dein gutes Herz kenne.
    Wenn du zwei Röcke hast, gibst du mir einen ab; ich habe dir ja auch meine Portion Suppe und Bohnen gegeben, wenn du zu gro-
    ßen Hunger hattest.«
    »Das ist wahr«, sagte Andrea.
    »Welchen Appetit du hattest! Hast du noch immer guten Appetit?«
    »Natürlich«, antwortete Andrea lachend.
    »Wie famos du bei dem Prinzen, von dem du soeben kamst, hast speisen müssen!«
    »Es ist kein Prinz, sondern einfach ein Graf.«
    »Ein Graf? Und ein reicher, he?«
    »Ja; aber laß es dir gesagt sein, er macht den Eindruck, daß mit ihm nicht gut Kirschen essen ist.«
    »Mein Gott, sei unbesorgt! Man hat keine Absichten auf deinen Grafen, du kannst ihn ganz für dich behalten. Aber«, fügte Caderousse wieder mit seinem bösen Lächeln hinzu, »dafür muß es etwas geben, verstehst du.«
    »Laß sehen, was brauchst du?«
    »Ich glaube, daß man mit hundert Franken monatlich …«
    »Nun?«
    »Auskommen könnte …«
    »Mit hundert Franken?«
    »Schlecht natürlich; aber mit …«
    »Mit?«
    »Hundertfünfzig Franken wäre ich gut dran.«
    »Da sind zweihundert«, sagte Andrea und gab Caderousse zehn Louisdors.
    »Gut«, sagte Caderousse.
    »Komm jeden Ersten im Monat zu dem Hausmeister, der wird dir die gleiche Summe geben.«
    »Na, da demütigst du mich schon wieder!«
    »Wieso?«
    »Du bringst mich mit dem Bedientenvolk zusammen; nein, siehst du, ich will nur mit dir zu tun haben.«
    »Gut denn, komm zu mir, und solange ich wenigstens meine Rente erhebe, sollst du jeden Ersten die deine erhalten.«
    »Na ja, ich sehe, daß ich mich nicht getäuscht habe; du bist ein braver Kerl, und es ist ein Segen, wenn das Glück zu Leuten kommt wie dir. Aber nun erzähle doch, wie bist du zu alledem gekommen?«
    »Was brauchst du das zu wissen?« fragte Andrea.
    »Na, schon wieder Mißtrauen!«
    »Nein. Gut also, ich habe meinen Vater wiedergefunden.«
    »Einen richtigen Vater?«
    »Je nun, solange er zahlt …«
    »… glaubst du es und ehrst ihn; das ist nicht mehr als recht und billig. Wie nennst du deinen Vater?«
    »Major Cavalcanti.«
    »Und ist er mit dir zufrieden?«
    »Bis jetzt scheine ich ihm zu genügen.«
    »Wer hat ihn dir denn verschaff t?«
    »Der Graf von Monte Christo.«
    »Der, von dem du herkommst?«
    »Ja.«
    »Höre, sieh doch zu, daß du mich bei ihm als Vetter anbringst.«
    »Gut, ich will mit ihm von dir sprechen; aber was willst du inzwischen machen?«
    »Ich?«
    »Ja, du.«
    »Du bist sehr gütig, dich darum zu kümmern«, antwortete Caderousse.
    »Da du dich für mich interessierst«, entgegnete Andrea, »so scheint mir, könnte auch ich wohl etwas über dich erfahren.«
    »Ganz recht … ich miete mir ein Zimmer in einem anständigen Hause, ziehe mich anständig an, lasse mich jeden Tag rasieren und lese die Zeitungen im Café. Des Abends gehe ich mit irgendeinem Claquenchef in ein Th
    eater und lebe wie ein Bäcker, der sich vom
    Geschäft zurückgezogen hat; das ist mein Traum.«
    »Wenn du den Plan ausführst und solide bist, wird alles gut gehen.«
    »Und du, was willst du werden …? Pair von Frankreich?«
    »Ha, ha! Wer weiß?«
    »Der Herr Major Cavalcanti ist’s vielleicht … Leider ist aber das Erbrecht abgeschaff t.«
    »Keine Politik, Caderousse! Und jetzt, wo du hast, was du willst, und wir angekommen sind, verschwinde!«
    »Nicht doch, Freund.«
    »Wieso, nicht doch?«
    »Aber bedenke doch, Kleiner, ein rotes Tuch um den Kopf, fast keine Stiefel an den Füßen, keine Papiere und zehn Louisdors in der Tasche! Man würde mich ja unfehlbar an der Barriere festhalten, und ich müßte mich ausweisen und sagen, daß ich die Goldstücke von dir erhalten habe. Man zieht Erkundigungen ein; man erfährt, daß ich Toulon ohne Urlaub verlassen habe, schaff t mich zurück, ich werde einfach wieder Nummer hundertundsechs, und ade, Traum vom zurückgezogenen Bäcker! Nein, mein Sohn, ich will lieber ehrbar in der Hauptstadt bleiben.«
    Andrea machte ein fi nsteres Gesicht; er hielt einen Augenblick an, warf einen Blick um sich und steckte die Hand unauff ällig in die Tasche, wo sein Finger den Hahn einer Taschenpistole spannte.
    Unterdessen aber hielt Caderousse, der seinen Gefährten nicht aus den Augen ließ, die Hände hinter dem Rücken und öff nete sacht ein langes spanisches Messer, das er für alle Fälle bei sich trug.
    Man sieht, die beiden Freunde waren würdig, einander zu verstehen, und sie verstanden sich.

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