Der Graf von Monte Christo 2
Furcht.«
»Aber der Graf von Monte Christo weiß nichts«, warf Frau Danglars ein, »sonst würde er sich doch wohl nicht so um unsern Verkehr bemühen, wie er es tut.«
»Oh, die Bosheit der Menschen ist sehr groß«, sagte Villefort.
»Haben Sie die Augen dieses Mannes bemerkt, während er mit uns sprach?«
»Nein.«
»Aber haben Sie ihn manchmal genau betrachtet?«
»Gewiß; er ist ein Sonderling, weiter nichts. Nur eins ist mir auf-gefallen, daß er von dem ganzen köstlichen Mahl, das er uns gegeben hat, nichts angerührt hat.«
»Ja«, sagte Villefort, »das habe ich auch bemerkt. Hätte ich ge-wußt, was ich jetzt weiß, ich hätte auch nichts angerührt; ich hätte geglaubt, er wolle uns vergiften.«
»Da hätten Sie sich, wie Sie sehen, getäuscht.«
»Nun ja; aber glauben Sie mir, dieser Mann hat geheime Absichten.
Deshalb habe ich Sie sehen, Sie vor jedermann, besonders aber vor ihm, warnen wollen. Sagen Sie«, fuhr Villefort fort, indem er die Baronin noch durchdringender ansah, als er es bis jetzt getan hatte,
»Sie haben von unserm Verhältnis mit niemand gesprochen?«
»Mit keinem Menschen, ich schwöre es Ihnen.«
»Sie haben nicht die Angewohnheit, abends niederzuschreiben, was tagsüber vorgegangen ist? Sie führen kein Tagebuch?«
»Ach nein, mein Leben geht in Leichtsinn dahin, ich selbst vergesse es«, sagte die Baronin.
»Sie sprechen nicht im Schlaf?«
»Ich habe den Schlaf eines Kindes; erinnern Sie sich nicht mehr?«
Purpurröte stieg ins Gesicht der Baronin, während Blässe dasje-nige Villeforts überzog.
»Das ist wahr«, sagte er so leise, daß es kaum zu hören war.
»Und nun?« fragte die Baronin.
»Ich weiß, was ich zu tun habe«, antwortete Villefort. »Vor Ablauf von acht Tagen werde ich wissen, was es mit Monte Christo für eine Bewandtnis hat, woher er kommt, wohin er geht und weshalb er in unsrer Gegenwart von einem Kind spricht, das in seinem Garten in Auteuil ausgegraben worden ist.«
Villefort sprach diese Worte in einem Ton, der den Grafen zittern gemacht hätte, wenn er ihn hätte hören können.
Dann drückte er die Hand, die die Baronin ihm mit Widerstreben gab, und führte sie mit Ehrerbietung bis zur Tür.
B S
Es war an einem der heißesten Julitage, einem Sonnabend, als bei Herrn von Morcerf ein Sommerball stattfand.
Albert von Morcerf hatte dem Grafen von Monte Christo persönlich die Einladung dazu überbracht.
»Oh, das ist zu liebenswürdig«, hatte der Graf geantwortet; »aber ich kann verhindert sein.«
»Wenn ich Ihnen eins gesagt habe, werden Sie alles andre hintan-stellen«, hatte Albert erwidert. »Meine Mutter bittet Sie darum.«
»Die Frau Gräfi n von Morcerf?« hatte Monte Christo mit bewegter Stimme gefragt.
»O Graf«, hatte Albert gesagt, »wir haben vier Tage lang nur von Ihnen gesprochen.«
»Von mir? Sie überhäufen mich wirklich mit Ehre!«
»Daß man von Ihnen spricht, ist Ihr Vorrecht als lebendes Problem.«
»Ah, ich bin also für Ihre Mutter ein lebendes Problem?« hatte der Graf geantwortet. »Wirklich, ich hätte sie für zu vernünftig gehalten, um sich solchen Phantastereien hinzugeben.«
»Ein Problem, mein lieber Graf, ein Problem für alle, für meine Mutter wie für die andern; Sie bleiben immer ein Rätsel. Nur fragt meine Mutter immer, wie es komme, daß Sie so jung sind. Während die Gräfi n G… Sie für Lord Ruthwen hält, hält meine Mutter Sie, glaube ich, für Cagliostro oder Saint-Germain. Wenn Sie meine Mutter besuchen, müssen Sie sie in dieser Ansicht befestigen. Das wird Ihnen nicht schwerfallen; Sie besitzen den Stein der Weisen des einen und den Geist des andern.«
»Ich danke Ihnen für Ihren Wink«, hatte der Graf geantwortet, »ich werde mich bemühen, allen Vermutungen gerecht zu werden.«
»Sie kommen also am Sonnabend?«
»Da Frau von Morcerf mich darum bittet.« –
Die Salons füllten sich mit Geladenen, die die reizende Gastfreund-schaft der Gräfi n noch mehr anzog als die hervorragende Stellung des Grafen von Morcerf; denn man war sicher, daß dieses Fest, dem guten Geschmack der Frau des Hauses Zufolge, allerlei bieten werde, was man erzählen oder nachahmen könnte.
Albert ging Frau von Villefort entgegen. Sie wollte sprechen, aber Albert unterbrach sie, bevor sie noch hatte ein Wort hervorbringen können.
»Ich wette, daß ich weiß, was Sie sagen wollen«, sagte er.
»Ei, das wäre!«
»Gestehen Sie es, wenn ich richtig
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