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Der Graf von Monte Christo 2

Der Graf von Monte Christo 2

Titel: Der Graf von Monte Christo 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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ist.«
    »Nicht doch, nein, und das ist das Schreckliche, das ich Ihnen zu sagen habe«, antwortete Villefort mit dumpfer Stimme. »Nein, es ist kein Körper unter den Blumen gefunden worden; nein, es ist kein Kind ausgegraben worden; nein, es ist kein Anlaß, zu weinen und zu seufzen, sondern zu zittern und zu beben.«
    »Was wollen Sie damit sagen?« rief Frau von Danglars zitternd.
    »Ich will sagen, daß Monte Christo beim Graben unter den Bäumen weder Kinderskelett noch Koff erbeschlag hat fi nden können, weil beides nicht da war.«
    »Weil beides nicht da war!« wiederholte Frau Danglars und starrte mit schreckgeweiteten Augen den Staatsanwalt an.
    »Nein!« sagte Villefort, indem er seine Stirn in die Hände sinken ließ; »nein, hundertmal nein.«
    »Sie hatten also das arme Kindchen nicht an dieser Stelle begraben?
    Warum die Täuschung? Zu welchem Zweck, sagen Sie?«
    »Es war die Stelle; aber hören Sie mich, hören Sie mich, und Sie werden mich beklagen, mich, der ich zwanzig Jahre lang die Last getragen habe, ohne den geringsten Teil auf Sie abzuwälzen.«
    »Mein Gott, Sie erschrecken mich! Aber einerlei, sprechen Sie!«
    »Sie wissen, wie traurig jene Nacht war, wo Sie mit dem Tode ringend auf Ihrem Bett lagen, in dem Zimmer mit den roten Damast-tapeten, während ich, fast ebenso keuchend wie Sie, Ihre Entbindung erwartete. Das Kind kam, wurde mir aber ohne Bewegung, ohne Atem, ohne Laut übergeben; wir hielten es für tot.«
    Frau Danglars machte plötzlich eine Bewegung, als ob sie vom Stuhl aufspringen wollte; aber Villefort hielt sie zurück, indem er, wie um ihre Aufmerksamkeit fl ehend, die Hände faltete.
    »Wir hielten es für tot«, wiederholte er; »ich legte es in einen Koff er, der den Sarg ersetzen mußte, ging in den Garten, grub ein Loch und stellte den Koff er schnell hinein. Kaum hatte ich das Loch wieder zugeworfen, streckte sich der Arm des Korsen gegen mich aus. Ich sah es wie einen Schatten sich aufrichten, wie einen Blitz leuchten, fühlte einen Schmerz und wollte rufen, aber ein eisiger Schauer durchlief meinen Körper und schnürte mir die Kehle zu … Ich sank zu Boden und glaubte mich tödlich getroff en. Nie werde ich Ihren übermenschlichen Mut vergessen, als ich mich, kaum wieder zu mir gekommen, halbtot bis an die Treppe schleppte, wo Sie, selbst halbtot, mir entgegenkamen. Die schrecklichen Geschehnisse muß-
    ten verheimlicht werden, und Sie hatten den Mut, mit Hilfe Ihrer Amme in Ihr Haus zurückzukehren; meine Wunde wurde einem Duell zugeschrieben. Gegen alle Erwartung blieb unser Geheimnis gewahrt. Man schaff te mich nach Versailles, und ich kämpfte drei Monate gegen den Tod. Dann mußte ich den Süden aufsuchen und wurde nach Marseille transportiert. Meine Rekonvaleszenz dauerte zehn Monate; ich hörte nichts mehr von Ihnen und wagte nicht, mich zu erkundigen, was aus Ihnen geworden sei. Als ich nach Paris zurückkehrte, vernahm ich, daß Herr von Nargonne gestorben war und daß Sie Herrn Danglars geheiratet hatten.
    Seit ich wieder zu Bewußtsein gekommen war, hatte ich immer an das eine denken müssen, an diese Kindesleiche, die jede Nacht in meinen Träumen aus der Erde aufstand und mir mit Blicken und Bewegungen drohte. Sofort nach meiner Rückkehr zog ich Erkundigungen ein; das Haus war, seit wir es verlassen hatten, nicht bewohnt gewesen, war aber eben auf neun Jahre vermietet worden.
    Ich suchte den Mieter auf, schützte vor, daß es mir peinlich sei, das Haus, das den Eltern meiner Frau gehörte, in fremden Händen zu sehen, und bot eine Entschädigung an, um den Mietskontrakt rück-gängig zu machen. Man forderte sechstausend Franken; ich hätte zehn-, zwanzigtausend gegeben. Ich hatte das Geld bei mir, ließ mir sofort ein Schriftstück darüber ausstellen und eilte nach Auteuil.
    Noch hatte niemand das Haus betreten.
    Es war fünf Uhr nachmittags; ich ging in das rote Zimmer und wartete, bis es Nacht geworden war.
    Alles, was ich mir seit einem Jahr in meiner beständigen Todesangst sagte, trat drohender als je vor meine Seele.
    Der Korse, der mir die Vendetta erklärt hatte und mir von Nîmes nach Paris gefolgt war – dieser Korse, der im Garten versteckt gewesen war und den Dolch gegen mich gezückt hatte, hatte mich das Kind verscharren sehen; es konnte ihm gelingen zu erfahren, wer Sie sind; vielleicht kannte er Sie … Würde er sich nicht eines Tages das Geheimnis dieser schrecklichen Nacht bezahlen lassen …? Wäre das nicht eine süße Rache

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