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Der Graf von Monte Christo

Der Graf von Monte Christo

Titel: Der Graf von Monte Christo Kostenlos Bücher Online Lesen
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der Büßer, deren Mitglieder insgesamt in graue, nur an den Augen ausgehöhlte Säcke gekleidet waren und eine angezündete Kerze in der Hand hielten, erschienen zuerst. Hinter den Büßern kam ein Mensch von hoher Gestalt; dieser Mensch war nackt, abgesehen von einer Leinwandhose, an deren linker Seite er ein großes in seiner Scheide verborgenes Messer befestigt hatte; auf der Schulter trug er eine schwere eiserne Keule. Es war der Henker. Unter den Füßen hatte er noch mit Stricken angebundene Sandalen. Hinter dem Henker marschierten in der Ordnung, in der sie hingerichtet werden sollten, zuerst Peppino und dann Andrea, jeder von zwei Priestern begleitet. Keiner hatte die Augen verbunden. Peppino ging festen Schrittes einher; ohne Zweifel hatte er Kunde von dem, was sich für ihn vorbereitete. Andrea wurde unter dem Arme durch einen Priester unterstützt. Beide küßten von Zeit zu Zeit das Kruzifix, das ihnen der Beichtiger darbot.
    Franz fühlte, wie ihm bei diesem Anblick die Beine den Dienst versagten; er schaute Albert an. Dieser war blaß wie sein Hemd und warf unwillkürlich seine Zigarre von sich. Nur der Graf allein sah unempfindlich aus. Mehr noch, es schien sogar eine leichte Röte die Leichenblässe seiner Wangen durchdringen zu wollen. Seine Nase erweiterte sich wie die eines wilden Tieres, das Blut riecht. Bei alledem hatte sein Antlitz einen Ausdruck lächelnder Sanftmut, den Franz nie an ihm wahrgenommen; seine Augen besonders waren von bewunderungswürdiger Weichheit und Milde.
    Die Verurteilten setzten indessen den Weg nach dem Schafott fort, und ihre Gesichtszüge ließen sich nach und nach deutlicher unterscheiden. Peppino war ein hübscher Junge von etwa 25 Jahren, mit sonnverbranntem Gesichte und freiem, wildem Blicke. Er trug den Kopf hoch und schien den Wind einzuziehen, als wollte er sehen, von welcher Seite sein Befreier käme. Andrea war dick und kurz; sein gemein grausames Gesicht ließ das Alter nicht genau erkennen; er mochte jedoch ungefähr dreißig Jahre zählen. Im Gefängnis hatte er seinen Bart wachsen lassen. Der Kopf fiel ihm auf eine Schulter herab, seine Beine bogen sich unter der Last; sein Körper schien nur einem mechanischen Triebe zu gehorchen, an dem sein Wille keinen Teil mehr hatte.
    Wie mir scheint, kündigten Sie uns an, es würde nur eine Hinrichtung stattfinden? sagte Franz zu dem Grafen.
    Ich habe Ihnen die Wahrheit gesagt, antwortete er kalt.
    Hier sind aber zwei Verurteilte.
    Ja, doch von den zwei Verurteilten ist der eine dem Tode nahe, während der andere noch lange Jahre zu leben hat.
    Soll die Gnade kommen, so ist meiner Ansicht nach keine Zeit zu verlieren.
    Sie kommt schon, sehen Sie dort! sagte der Graf.
    In dem Augenblick, wo Peppino am Fuße des Schafotts anlangte, drang ein Büßer, der sich verspätet zu haben schien, durch die Hecke der Soldaten, ohne daß diese Widerstand leistete, eilte auf den Anführer der Brüderschaft zu und überreichte ihm ein zusammengelegtes Papier. Peppinos glühender Blick war diesem Vorgang mit äußerster Spannung gefolgt. Der Anführer der Brüderschaft entfaltete das Papier, las es, hob die Hand auf und sagte mit lauter, verständlicher Stimme:
    Der Herr sei gesegnet und Seine Heiligkeit sei gelobt! Man hat dem Leben eines Gefangenen Gnade angedeihen lassen.
    Gnade! rief das Volk mit einem Schrei; begnadigt!
    Bei dem Worte schien Andrea emporzuspringen und den Kopf aufzurichten.
    Gnade für wen? rief er.
    Die Todesstrafe ist Peppino, genannt Rocca Priori, erlassen. antwortete der Anführer der Priesterschaft und übergab das Papier dem die Carabinieri befehligenden Kapitän, der es ihm, nachdem er es gelesen hatte, zurückstellte.
    Gnade für Peppino! rief Andrea, völlig aus der Starrheit erwachend, in die er versunken zu sein schien. Warum Gnade für ihn und nicht für mich? Wir sollten miteinander sterben, man versprach mir, er würde vor mir sterben, man darf mich nicht allein sterben lassen; ich will nicht allein sterben, nein, ich will nicht.
    Und er hing sich an die Arme der Priester und krümmte sich und heulte und brüllte und strengte sich wahnsinnig an, die Stricke zu zerreißen, mit denen seine Hände gebunden waren. Der Henker machte seinen Gehilfen ein Zeichen: sie sprangen vom Schafott herab und bemächtigten sich des Verurteilten.
    Was gibt es denn? fragte Franz den Grafen, denn da alles in römischer Mundart gesprochen wurde, hatte er's nicht gut verstanden.
     

     
    Was es gibt? erwiderte der

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