Der Graf von Monte Christo
Tochter verheiraten kann, mit wem es mir beliebt.
Ei! sagte der Graf, dessen Billigung der Staatsanwalt beständig mit dem Blicke nachgesucht hatte; ei! Herr Noirtier enterbt, wie Sie sagen, Fräulein Valentine, weil sie den Herrn Baron Franz d'Epinay heiraten soll?
Mein Gott! ja, mein Herr; das ist der Grund, rief Villefort, die Achseln zuckend.
Läßt sich dies begreifen? entgegnete die junge Frau, ich frage Sie, in welcher Hinsicht mißfällt Herr d'Epinay Herrn Noirtier mehr als ein anderer?
In der Tat, sagte der Graf. Ich habe Herrn Franz d'Epinay kennen gelernt; er ist doch der Sohn des Generals von Quesnel, der von König Karl X. zum Baron d'Epinay gemacht wurde?
Ganz richtig! erwiderte Villefort.
Ei! mir scheint, das ist ein reizender junger Mann.
Ich bin fest überzeugt, es ist auch nur ein Vorwand, sagte Frau von Villefort; die Greise sind Tyrannen in ihren Zuneigungen; Herr Noirtier will nicht, daß seine Enkelin heiratet.
Können Sie sich nicht diesen Haß irgendwie sonst erklären? Vielleicht stammt er von irgend einer politischen Antipathie?
In der Tat, mein Vater und der Vater des Herrn d'Epinay lebten in stürmischen Zeiten, von denen ich nur noch die letzten Tage gesehen habe, sprach Villefort.
War Ihr Vater nicht Bonapartist? Ich glaube mich zu erinnern, daß Sie mir etwas dergleichen sagten.
Mein Vater war vor allem Jakobiner, erwiderte Villefort, durch die Aufregung über die Grenzen der Klugheit fortgerissen, und das Gewand des Senators, das ihm Napoleon um die Schultern warf, gab ihm nur eine andere Hülle, ohne etwas an ihm zu ändern. Konspirierte mein Vater, so geschah es nicht für den Kaiser, sondern gegen die Bourbonen, denn mein Vater hatte das Furchtbare an sich, daß er nie für Hirngespinste, sondern stets für mögliche Dinge kämpfte, und daß er zur Durchsetzung seiner Ideen vor keinem Mittel zurückwich.
Sie sehen, sagte Monte Christo, Herr Noirtier und Herr d'Epinay werden sich auf politischem Boden entgegengetreten sein. Hatte der General d'Epinay, obgleich er unter Napoleon diente, nicht im Grunde seines Herzens eine royalistische Gesinnung bewahrt, und ist es nicht derselbe, der eines Abends, als er einen napoleonistischen Klub verließ, zu dem man ihn in der Hoffnung des Beitritts eingeladen hatte, ermordet wurde?
Villefort schaute den Grafen beinahe mit Schrecken an.
Täusche ich mich? fragte Monte Christo.
Nein, mein Herr, antwortete Frau von Villefort, im Gegenteil, es ist genau so, und eben, um einen alten Haß zu ersticken, hatte Herr von Villefort den Gedanken, zwei Kinder sich lieben zu lassen, deren Väter sich gehaßt hatten.
Erhabener Gedanke! rief Monte Christo, ein Gedanke voll milder Menschenliebe, dem die ganze Welt ihren Beifall zollen müßte. In der Tat, es wäre schön gewesen, Fräulein Noirtier von Villefort sich Frau Franz d'Epinay nennen zu sehen.
Villefort bebte und schaute Monte Christo an, als wollte er im Grunde seines Herzens die Absicht lesen, welche den soeben ausgesprochenen Worten zu Grunde lag.
Da aber der Graf das wohlwollende Lächeln, an das seine Lippen gewöhnt waren, beibehielt, so vermochte der Staatsanwalt trotz der Schärfe seines Blickes nicht, hinter die Maske Monte Christos zu blicken.
Obgleich es ein großes Unglück für Valentine ist, das Vermögen ihres Großvaters zu verlieren, sagte Villefort, so glaube ich doch nicht, daß die Heirat deshalb scheitert; ich glaube nicht, daß Herr d'Epinay vor diesem pekuniären Verlust zurückweicht. Er wird sehen, daß ich wohl mehr wert bin, als diese Summe, die ich dem Wunsche, ihm mein Wort zu halten, opfere; er wird sich zudem sagen, daß Valentine schon durch das Vermögen ihrer Mutter reich ist, das von Herrn und Frau von Saint Meran verwaltet wird, die sie beide zärtlich lieben.
Und wohl würdig sind, daß man sie liebt und pflegt, wie dies Valentine bei Herrn Noirtier getan hat, fügte Frau von Villefort hinzu. Sie kommen spätestens in einem Monat nach Paris, und Valentine wird nach einer solchen Beleidigung nicht mehr gebunden sein, sich, wie sie es jetzt getan, bei Herrn Noirtier begraben zu lassen.
Der Graf hörte mit Wohlgefallen die disharmonische Stimme verletzter Eitelkeit und in den Staub getretener Interessen und sagte nach kurzem Stillschweigen: Mir scheint, und ich bitte Sie im voraus wegen dessen, was ich sagen werde, um Verzeihung, daß Herr Noirtier, wenn er Fräulein von Villefort, nur weil sie einen jungen Mann heiraten wollte, dessen Vater er
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