Der Graf von Monte Christo
geheiratet hatten, und daß mein Vater gestorben, vor Hunger gestorben war!
Gerechter Gott! rief Mercedes wankend.
Aber ich habe dies erfahren, als ich das Gefängnis nach vierzehn Jahren wieder verließ, und darum habe ich geschworen, mich an Fernand zu rächen, und ich räche mich.
Und Sie wissen gewiß, daß Fernand dies getan hat?
Bei meiner Seele. Übrigens ist das nicht schlechter, als wenn man als Franzose durch Adoption zu den Engländern übergeht, als Spanier von Geburt gegen die Spanier kämpft und in Alis Solde Ali verrät und ermordet. Was war im Vergleich dazu der Brief, den Sie gelesen? Ein schlauer Kniff, den die Frau, die diesen Menschen heiratet, ich gestehe und begreife dies, verzeihen muß, den aber der Geliebte, der sie heiraten sollte, nicht vergißt. Wohl! die Franzosen haben sich nicht an dem Verräter gerächt, die Spanier haben den Verräter nicht erschossen, in seinem Grabe liegend, hat Ali den Verräter unbestraft gelassen; doch ich, verraten, ermordet, ebenfalls in ein Grab geworfen, bin aus diesem Grabe durch Gottes Gnade hervorgegangen und bin es Gott schuldig, daß ich mich räche; er schickt mich zu diesem Zwecke hierher, und hier bin ich.
Die arme Frau ließ ihren Kopf und ihre Hände sinken; ihre Beine bogen sich unter ihr, und sie fiel auf die Knie.
Verzeihen Sie mir, Edmond, sagte sie, verzeihen Sie, meinetwegen, denn ich liebe Sie noch!
Die Würde der Gattin zügelte den Ausdruck ihrer Worte. Ihre Stirn neigte sich, daß sie beinahe den Boden berührte. Der Graf eilte auf sie zu und hob sie auf. Auf einem Stuhle sitzend, konnte sie nur durch ihre Tränen sein männliches Gesicht betrachten, aus dem Schmerz und Haß abermals drohend sich ausprägten.
Daß ich das verfluchte Geschlecht nicht niedertrete! murmelte er, daß ich Gott ungehorsam werde, der mich zu seiner Bestrafung wiedererweckt hat, unmöglich, gnädige Frau, es kann nicht sein!
Edmond, sagte die arme Mutter, alle Mittel versuchend; mein Gott! wenn ich Sie Edmond nenne, warum nennen Sie mich nicht Mercedes?
Mercedes! wiederholte Monte Christo, Mercedes! ja wohl! Sie haben recht, es ist noch süß für mich, diesen Namen auszusprechen, und zum erstenmale seit langer Zeit klingt er so klar von meinen Lippen. Oh! Mercedes, ich habe Ihren Namen mit den Seufzern der Schwermut, mit dem Stöhnen des Schmerzes, mit dem Röcheln der Verzweiflung ausgesprochen; ich habe ihn ausgesprochen, von der Kälte zu Eis erstarrt, auf dem Stroh meines Kerkers kauernd; ich habe ihn ausgesprochen, verzehrt von der Hitze und mich auf den Platten meines Gefängnisses wälzend. Mercedes, ich muß mich rächen, denn vierzehn Jahre lang habe ich gelitten, vierzehn Jahre lang habe ich geweint, geflucht, nun muß ich mich rächen, Mercedes!
Rächen Sie sich, Edmond, rief die arme Mutter, aber rächen Sie sich an den Schuldigen, rächen Sie sich an mir, rächen Sie sich nicht an meinem Sohne!
Es steht geschrieben im heiligen Buche, antwortete Monte Christo, die Sünden der Eltern sollen auf ihre Kinder zurückfallen bis in das dritte und vierte Glied. Da Gott diese seine eigenen Worte seinem Propheten diktiert hat, warum sollte ich besser sein als Gott?
Weil Gott vor den Menschen die Zeit und die Ewigkeit hat.
Monte Christo stieß ein Stöhnen aus.
Edmond! fuhr Mercedes, die Arme gegen den Grafen ausstreckend, fort, seitdem ich Sie kenne, habe ich Ihren Namen angebetet, Ihr Andenken geehrt, Edmond! Oh,zwingen Sie mich nicht, dieses edle Bild zu trüben, das unablässig in dem Spiegel meines Herzens widerstrahlte. Edmond, wenn Sie alle Gebete kennen würden, die ich für Sie an Gott richtete, solange ich hoffte, Sie wären noch am Leben, und seitdem ich Sie für tot hielt! Ja für tot, man sagte, Sie hätten fliehen wollen, Sie wären in das Leichentuch eines Toten geschlüpft, und sodann vom Kastell herab in das Meer geschleudert worden; der Schrei, den Sie, auf den Felsen zerschellend, ausgestoßen, habe Ihre verwegene Tat und zugleich Ihren Tod verkündet. Wohl! Edmond, ich schwöre Ihnen bei dem Haupte des Sohnes, für den ich zu Ihnen flehe, Edmond, zehn Jahre lang sah ich jede Nacht Menschen, die etwas auf einem Felsen schaukelten; zehn Jahre lang hörte ich einen furchtbaren Schrei, der mich eisig erschauern ließ, so daß ich erwachte. Und auch ich, Edmond, oh! glauben Sie mir, auch ich, so sehr ich schuldig war, habe viel gelitten!
Haben Sie gefühlt, wie Ihr Vater während Ihrer Abwesenheit verhungert ist? rief
Weitere Kostenlose Bücher