Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
plötzlich einer Gefahr ausgesetzt zu wissen, von der er nichts geahnt hatte, und durch den Schild der Polizei vor dieser Gefahr geschützt worden zu sein, ohne davon gewusst zu haben, das kam für einen Menschen von Bonapartes Charakter und Tatkraft einer Demütigung gleich. Er hatte sich täuschen lassen – nun, dann würde er jetzt umso klarer sehen! Und deshalb ließ er sich von Savary die Liste der Verdächtigen im Departement Seine-Inférieure bringen.
Schon bei ihrem ersten Blick auf das Verzeichnis für Eu und Tréport sahen sie den Namen eines Uhrmachers Troche. Vater Troche befand sich in Haft, und da er zu den Hauptbeschuldigten zählte, war kaum damit zu rechnen, dass er den Mund aufmachte. Doch es gab einen neunzehnjährigen Sohn, der über die Landungen, die bereits stattgefunden hatten, und die noch bevorstehenden sicherlich Bescheid wusste.
Bonaparte ließ telegraphisch anordnen, den Sohn festzunehmen und auf schnellstem Weg nach Paris zu bringen; mit der Eilpost konnte er am Tag nach seiner Verhaftung in Paris sein.
Unterdessen war Réal in das Gefängnis zurückgekehrt, wo er den Gefangenen in einem erbarmungswürdigen Zustand vorgefunden hatte.
Bei Tagesanbruch, das heißt zwischen sechs und sieben Uhr morgens, war die militärische Einheit, die den Todeskandidaten zum Hinrichtungsplatz eskortieren und ihn dort füsilieren sollte, eingetroffen und hatte Aufstellung bezogen. Der Fiaker, der den Gefangenen befördern würde, stand vor der Gefängnispforte mit offener Tür und heruntergelassenem Trittbrett.
Der Gefangene, der sich wie gesagt in der Kanzlei des Gerichtsschreibers befand, deren vergitterte Fenster auf die Straße gingen, konnte von dort alle Vorbereitungen zu seiner Erschießung mit ansehen – Vorbereitungen, die zweifellos weniger erschreckend sind als die zum Guillotinieren, aber dennoch nicht ohne Grauen.
Er hatte gesehen, dass die Ordonnanz, die den Hinrichtungsbefehl abzuholen hatte, zum Gouverneur von Paris geschickt worden war, und er sah, dass der zuständige Adjutant bereits zu Pferde wartete, um die Hinrichtung anzuordnen und durchzuführen, sobald die Ordonnanz mit dem Befehl zurückkehrte. Die Dragoner, die ihm als Eskorte dienen würden, warteten ebenfalls aufgereiht zu Pferde, und ihr Offizier hatte die Zügel seines Pferdes an das Gitter des Fensters gebunden, aus dem er sah. In diesem
schrecklichen Warten verbrachte er die Zeit von halb sieben bis um neun Uhr morgens.
Nachdem er darauf gelauscht hatte, wie die Glocke halbe Stunden und Viertelstunden schlug, vernahm er um neun Uhr endlich das gleiche Räderrollen, das er um fünf Uhr gehört hatte.
Ängstlich heftete sein Blick sich auf die Tür; sein Ohr suchte die Geräusche im Flur aufzufangen, und die Gefühle, die er vor Stunden empfunden hatte, ließen wieder sein Herz klopfen.
Réal trat lächelnd ein.
»Oh, Sie würden nicht lächeln«, rief der unglückliche Gefangene, warf sich vor ihm nieder, umschlang seine Knie und preßte sie an seine Brust, »wenn ich zum Tode verurteilt wäre!«
»Ich habe Ihnen nicht die Begnadigung versprochen«, sagte Réal, »ich habe Ihnen einen Aufschub versprochen, und Aufschub wird Ihnen gewährt, doch ich verspreche Ihnen, alles zu tun, was in meiner Macht steht, um Ihr Leben zu retten.«
»Aber dann«, rief der Gefangene, »dann lassen Sie diese Dragoner, diesen Fiaker, diese Soldaten entfernen, wenn ich nicht vor Angst sterben soll. Meinetwegen sind sie hier, und solange sie hier sind, kann ich nicht glauben, was Sie mir sagen.«
Réal ließ den Gefängnisdirektor kommen. »Die Hinrichtung ist aufgeschoben«, sagte er, »durch Ordre des Ersten Konsuls. Bringen Sie Monsieur in eine Einzelzelle, und lassen Sie ihn heute Abend in das Temple-Gefängnis überstellen.«
Querelle atmete auf. Im Temple befanden sich Häftlinge mit langen Haftstrafen, aber keine zum Tode Verurteilten. Das war die Bestätigung dessen, was Réal ihm gesagt hatte. Als Nächstes sah er aus dem Fenster, von dem er den Blick nicht abwenden konnte, dass das Trittbrett des Fiakers eingezogen und die Tür geschlossen wurde, dann sah er, dass der Offizier sein Pferd losband, es bestieg, an die Spitze seiner Männer ritt, und dann sah er nichts mehr.
Im Übermaß seiner Freude war er ohnmächtig geworden.
Der Arzt wurde gerufen und ließ den Gefangenen zur Ader. Querelle kam wieder zu sich, wurde in Einzelhaft untergebracht und wie befohlen am Abend in das Temple-Gefängnis
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