Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
einen Zahn gezogen.«
Zwei Tage nach diesen Geschehnissen, die in Polizeikreisen seither legendär geworden sind, wurden zwei Verschwörer von höchster Bedeutung festgenommen.
Es geschah folgendermaßen (der folgende Bericht ist weder eine Polizeilegende noch eine Kanzlistenanekdote):
Bei meiner ersten Überfahrt von Genua nach Marseille mit dem Dampfschiff lernte ich den Marquis de Rivière kennen. Seine fesselnde Konversation weckte mein größtes Interesse, doch als er dazu ansetzte, mir die Geschichte seiner Verhaftung zu erzählen, setzte bei mir die Seekrankheit ein, und mir war, als bohrte sich seine kraftvolle Stimme, die mich bis in meine unerträglichen Qualen verfolgte, in meinen armen Kopf; er schwieg erst, als er merkte, welch übermenschliche Anstrengung es mich kostete, ihm zuzuhören und ihm zugleich meine Unpässlichkeit zu verbergen. Aus diesem Grund ist mir das, was er erzählte, nach vierzig Jahren noch so gegenwärtig, als hätte ich mich erst gestern mit ihm unterhalten.
Monsieur de Rivière und Monsieur Jules de Polignac verband eine jener Freundschaften wie im Altertum, die nur der Tod beenden kann; sie konspirierten miteinander, sie waren gemeinsam nach Paris gekommen, und sie zählten darauf, miteinander zu sterben.
Nachdem Moreau und Pichegru verhaftet worden waren, wurden auch sie aufgestöbert. Da sie nicht wussten, wo sie sich verstecken sollten, erwogen sie, den Grafen Alexandre de Laborde um Asyl zu bitten, einen jungen Mann ihres Alters, der sich mit der Regierung des Ersten Konsuls ohne Weiteres hatte arrangieren können, da er zum Geldadel zählte.
Monsieur de Labordes Stadtpalais befand sich in der Rue d’Artois an der Chaussée d’Antin. Als die Flüchtenden den Boulevard des Italiens erreichten, blieb der Marquis de Rivière vor einem der Pfeiler des sogenannten Pavillon de Hanovre stehen und las die dort angeschlagene Bekanntmachung des Polizeipräfekten, die den Hehlern mit der Todesstrafe drohte. Er ging zu Jules de Polignac zurück, der auf dem Boulevard wartete.
»Mein Freund«, sagte der Marquis, »beinahe hätten wir uns etwas zuschulden kommen lassen: Wenn wir den Grafen von Laborde um Asyl bitten, bringen wir ihn und seine ganze Familie in Lebensgefahr. Für Geld können wir uns einen ebenso sicheren Zufluchtsort besorgen – machen wir uns auf die Suche.«
Jules de Polignac, ein aufrechter Charakter, war der gleichen Ansicht, und sogleich trennten sie sich, damit jeder allein eine Unterkunft suchen konnte.
Noch am selben Abend begegnete der Marquis de Rivière einem seiner ehemaligen Kammerdiener, einem Mann namens Labruyère, der seinem einstigen Herrn schon zuvor vergebens angeboten hatte, ihn zu verstecken. Diesmal stießen seine Bitten nicht auf taube Ohren.
Der Marquis blieb achtzehn Tage unbehelligt in dem Versteck, das Labruyère ihm besorgt hatte, und wahrscheinlich wäre er nie entdeckt worden, hätte sein Kamerad Jules nicht etwas Unbedachtes getan. Jules de Polignac erfuhr in seinem Versteck, dass sein Burder Armand verhaftet worden war. Kopflos und ohne sich vorzusehen, lief er auf der Stelle zu seinem Freund Monsieur de Rivière, um es ihm zu erzählen, und der Marquis verlangte, dass Polignac bei ihm blieb.
»Hat Sie auch niemand kommen sehen?«, fragte er ihn.
»Keine Menschenseele, nicht einmal die Pförtnerin des Hauses.«
»Dann sind Sie in Sicherheit.«
Sie hatten sich sechs Tage lang in ihrem gemeinsamen Versteck aufgehalten, als Jules de Polignac eines Abends trotz der Bitten seines Freundes das Haus verließ, um eine Verabredung einzuhalten, die er für unverzichtbar hielt.
Ein Polizist erkannte ihn, als er zurückkam und das Haus betrat. Der Polizist wachte die ganze Nacht vor dem Haus, und am Tag darauf wurden Polignac und der Marquis in Labruyères Wohnung festgenommen.
Der Polizeikommissar war Comminges, der Mann, der sechs Tage zuvor Pichegru verhaftet hatte. Als Erstes erklärte er Labruyère, dass es einem Citoyen verboten sei, Fremde zu beherbergen, worauf Labruyère erwiderte, Monsieur de Rivière sei für ihn kein Fremder, sondern ein Freund, den er selbst dann aufgenommen hätte, wenn ihm dafür die Guillotine drohte.
Alle drei wurden zum Staatsrat Réal gebracht, damit er sie verhörte.
»Herr Staatsrat«, sagte der Marquis de Rivière, »ich mache Sie darauf aufmerksam, dass weder mein Freund noch ich eine einzige Frage beantworten
werden, solange Sie uns nicht Ihr Wort geben, dass der Mann, der mich
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