Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
zugleich fiel ihm auf, dass der Wirt seine Fragen mit einer gewissen Dreistigkeit beantwortete und ihn mit unverhohlener Missgunst beäugte.
Daraufhin bedachte René den Wirt mit einem Blick, der ihn aufforderte, sich keine Dummheiten zu erlauben.
Der Wirt reichte René diensteifrig Zimmerschlüssel und Talglicht, denn Wachskerzen waren in Kalabrien unbekannt.
René stieg zu seinem Zimmer hinauf und stellte fest, dass der Schlüssel nur zur Zierde da war, denn das Türschloss bestand aus einem Nagel, um den ein Bindfaden geschlungen war.
Dennoch betrat er sein Zimmer, wo er sich angekleidet auf das erbärmliche Lager warf, nachdem er seinen Stutzen in Reichweite und die Pistolen auf ein Tischchen gelegt hatte.
Nach etwa einer Stunde war ihm, als hörte er Schritte im Zimmer nebenan und als machten diese Schritte vor seiner Zimmertür halt. Darauf gefasst, dass seine Tür geöffnet wurde, ergriff René eine der Pistolen und richtete sie auf die Tür.
Zu seinem großen Erstaunen blieb die Tür geschlossen, nachdem sie zweimal in ihren Angeln gebebt hatte; er nahm sein Licht in eine Hand, die Pistole in die andere und ging zur Tür, um sie zu öffnen.
Vor der Tür lag ein Mann; der Mann drehte den Kopf zur Seite, und René erkannte seinen Führer.
»Um Himmels willen«, sagte der Führer, »bleiben Sie in Ihrem Zimmer.«
»Warum?«, fragte René.
»Sie kämen keine zehn Schritte weit, bevor man sie ermordete.«
»Und was tust du hier?«
»Ich bewache Sie«, erwiderte der Führer.
René ging nachdenklich zu seinem Bett zurück, legte sich hin und schlief ein. Ihm war undeutlich, als hätte er die Stimme des Mannes schon einmal gehört.
113
General Reynier
General Reynier, dem René sich anschließen wollte, war im Jahr 1792 auf Empfehlung La Harpes in seiner Eigenschaft als Ingenieur in die Artillerie des Generalstabs von General Dumouriez aufgenommen worden; von Dumouriez zum Adjutanten befördert, nahm er an der berühmten Kampagne der Nordarmee in den Niederlanden teil, in der Husarenregimenter die holländische Flotte eroberten, indem sie über die zugefrorene Insel Texel stürmten; er wurde zum Brigadegeneral befördert und bald darauf zum Chef des Generalstabs der Rheinarmee unter Moreau.
Bonaparte nahm ihn nach Ägypten mit und vertraute ihm das Kommando über eine Division an. Diese Division bildete eines der Karrees, die den Sieg der Schlacht bei den Pyramiden errangen. Nach der Einnahme Kairos wurde General Reynier beauftragt, Ibrahim Bey aus Syrien zu vertreiben und den Oberbefehl über die Provinz Charki zu übernehmen. Die Loyalität, mit der General Reynier sich ausnahmslos betrug, brachte ihm die Achtung aller arabischen Völker ein.
Bonaparte verließ Ägypten. Das Oberkommando über die Armee hätte von Rechts wegen Reynier zugestanden, wurde aber Bonapartes Günstling Menou verliehen. Die Armee murrte, und eines Tages ließ Menou Reynier festnehmen, auf eine Fregatte bringen und ohne Erklärung nach Frankreich verschiffen.
Bei seiner Ankunft in Paris erfuhr Reynier, dass er bei Bonaparte in Ungnade gefallen war, und er musste sich auf sein Landgut im Nièvre (vormals Nivernais) zurückziehen.
Unbeugsame und stolze Menschen wie Reynier waren Napoleon stets suspekt; dennoch rief er ihn für die Kampagne von 1805 in den aktiven Dienst zurück, und nach der Schlacht von Austerlitz vertraute er ihm das Kommando über die Armee an, die für seinen Bruder Joseph das Königreich Neapel zu erobern hatte.
Josephs Amtseinführung verlief ohne Zwischenfälle, und da er sich vom Augenschein blenden ließ, prahlte er sogar in dem Briefwechsel mit seinem Bruder, dem Kaiser, mit dem Wohlwollen, das die Neapolitaner ihm bezeigten und das, wie er sagte, bei manchen bis zur Begeisterung reichte. Doch die lange Belagerung Gaetas, die den Großteil seiner Truppen erforderte, ermöglichte den einstigen Parteigängern der Bourbonen oder eher jenen Briganten, die jede Gelegenheit nutzen, ihr ruchloses Gewerbe mit einem patriotischen Banner zu schmücken, ihre Banden wieder zusammenzurufen und das Land mit ihren sogenannten politischen Überfällen zu überziehen, die in Wahrheit das Deckmäntelchen für Plünderungen und private Rachefeldzüge waren.
Daraufhin wurde Reynier mit einer Armee von sieben- bis achttausend Mann nach Kalabrien entsandt. Keine Stadt, keine Räuberbande wagte sich ihm entgegenzustellen; und so erreichte er Scilla und Reggio, und in beiden Städten errichtete er Garnisonen.
Doch
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