Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
Weg, denn René wollte bis nach Lagonegro gelangen, und da er unterwegs auf kein einziges Haus treffen würde, hielt er es für geraten, in einer Satteltasche ein Stück Brot und ein gebratenes Hühnchen und in der anderen eine Flasche Wein zu verstauen.
Er machte sich bei Tagesanbruch um fünf Uhr auf den Weg, und um elf Uhr erreichte er eine Kreuzung, von der drei Wege abgingen.
Das war die erste Zwickmühle, die man ihm vorausgesagt hatte.
René vertraute auf den Glücksstern, den Fouché in den Wechselfällen seines Schicksals zu erkennen geglaubt hatte.
Er stieg ab, legte in Reichweite seiner rechten Hand Stutzen, Pistolen und Weinflasche auf den Boden und in Reichweite der Linken das Huhn und das Brot, und dann setzte er sich und begann so friedlich zu schmausen, als befände er sich im Park von Asproni oder von Capodimonte.
Er hoffte, dass irgendein Bauer des Weges käme, der so gefällig wäre, ihm den richtigen Weg zu sagen, oder der aus Geldgier bereit wäre, ihm als Führer zu dienen, bis er die französischen Truppen erreichte.
Er hatte sich nicht getäuscht: Kaum hatte er sein Hühnchen in Angriff genommen und seine Flasche zu einem Viertel geleert, als er den Hufschlag eines Pferdes vernahm und einen Reiter erblickte, der so weiß bestäubt war wie ein Müller, ein Auge unter einer Binde verborgen hatte und einen Hut mit breiter Krempe trug, der ihm das halbe Gesicht verdeckte.
René sprach ihn an.
Als der Müller Renés Stimme hörte, hielt er sein Pferd an und richtete das unbedeckte Auge auf den Sprechenden.
»Kamerad«, sagte René, »hast du Durst?« Und er zeigte ihm die Flasche. »Komm und trinke. Hast du Hunger?« Er zeigte ihm das Hühnchen. »Komm und iss.«
Der Mann rührte sich nicht von der Stelle.
»Sie kennen mich nicht«, sagte er.
»Aber du«, sagte René, »kennst mich. Du weißt, dass ich ein französischer Soldat bin. Du wirst mir sagen, welchen der drei Wege ich nehmen muss, um zur Armee zu gelangen, und dann sind wir quitt; aber wenn du dir ein paar Louisdors verdienen willst, umso besser, dann kannst du mir als Führer dienen.«
»Ich bin weder hungrig noch durstig«, erwiderte der Mann, »aber ich will Ihnen als Führer dienen.«
»Sehr gut.«
Der Bauer blieb auf seinem Pferd sitzen.
René beendete seine Mahlzeit; dann packte er die Weinflasche, das Brot und die übrig gebliebene Hälfte des Hühnchens zusammen, steckte sich die Pistolen in den Gürtel, hängte seinen Stutzen an den Sattel, legte die Reste seiner Mahlzeit für den nächstbesten Hungrigen an den Wegesrand, sprang auf sein Pferd und reichte dem Bauern einen Louisdor mit den Worten: »Reiten Sie voraus, hier ist Ihr Lohn.«
»Danke«, erwiderte der andere, »wenn Sie mit mir zufrieden sind, werden Sie mich nach getaner Arbeit entlohnen.«
Der Bauer ritt voraus, René folgte.
Obwohl der Klepper des Bauern jämmerlich aussah, schlug er einen munteren Trab an, dessen Geschwindigkeit René zusagte, denn seine Reise würde durch den Führer keine Verzögerung erleiden.
Ohne Zwischenfälle erreichten sie Lagonegro.
René war aufgefallen, dass sein Führer unterwegs ab und zu mit Männern, die aus den Wäldern auftauchten und wieder dorthin verschwanden, einige Worte gewechselt hatte; er nahm an, dass der Mann aus der Gegend
stammte und dass die Leute, mit denen er sprach, Bauern aus seiner Bekanntschaft waren.
René hatte guten Appetit; er ließ sich ein ausgezeichnetes Abendessen kommen und bestellte das gleiche Essen für seinen Führer; diesen hatte er gebeten, ihn bei Tagesanbruch zu wecken, denn am nächsten Abend mussten sie Laino oder Rotonda erreicht haben, und bis dahin war es noch eine lange Reise von zehn Meilen.
Der Tag verging wie der Vortag; das Pferd des Müllers schritt munter aus, weder zu schnell noch zu langsam, und so legten sie zwei Meilen in der Stunde zurück.
Auch an diesem Tag begegnete der Müller immer wieder an Schluchteingängen, hinter hohen Felsen oder mitten in Wäldchen Leuten, die er kannte und mit denen er einige Worte wechselte, bevor sie verschwanden.
Am nächsten Tag nahm Renés Führer nicht die Hauptstraße, wenn es denn zu jener Zeit in Kalabrien einen Weg gab, der diese Bezeichnung auch nur annähernd verdiente, sondern ritt zur Rechten weg, ließ Cosenza links liegen, und zur Schlafenszeit erreichten sie San Mango.
René erfuhr, dass er nur noch wenige Meilen von der französischen Armee entfernt war, die sich am Golf von Sant’ Eufemia befand; doch
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