Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
Bibliothèque Nationale in der Rue de Richelieu in einem der Verschläge, die wie Beichtstühle aussehen, entrollte den Mikrofilm des Moniteur universel aus dem ersten Trimester 1869 und entdeckte... nicht etwa den Brief, den ich ausgegraben hatte (er ist nie erschienen, weder im Moniteur noch in Le Pays ), und auch keinen Zeitungsartikel von Dumas über Joséphines Schulden, sondern einen Roman in Fortsetzungen, einen sehr umfangreichen, aber leider unvollendeten Roman: einhundertachtzehn Kapitel, in relativ unregelmäßiger Reihenfolge zwischen dem 1. Januar und dem 30. Oktober 1869 erschienen – fast ein ganzes Jahr lang! Ich war so glücklich, als hätte ich das sagenhafte Eldorado entdeckt. Ich hatte den letzten Roman Alexandre Dumas’ vor Augen, den Krankheit und Tod beendet hatten, an dem die unermüdliche Feder des Autors bis zuletzt geschrieben hatte!
Ich schlachtete mein Sparschwein und erhielt einige Monate später die Fotokopie der Fortsetzungen in Form eines dicken Papierstapels, auf den ich mich stürzte, um seinen Inhalt zu verschlingen. Damals war noch nicht abzusehen, dass Dumas eines Tages in das Panthéon aufgenommen werden würde. 12 Dass das Buch erscheinen konnte, verdanke ich Jean-Pierre Sicre, der sich mit allen Kräften dafür eingesetzt hat. Habent sua fata libelli (ein Text kann nur vermitteln, was der Leser auffasst), wie Dumas das Wort des Terentianus Maurus zu zitieren pflegte.
Der rekonstruierte Roman
Einhundertzwanzig Jahre vor der Wiederentdeckung der Fortsetzungen im Moniteur saß Alexandre Dumas an seinem Schreibtisch in der Wohnung am Boulevard Malesherbes oder in seinem großen niedrigen Bett
und schrieb auf das hellblaue Papier im Format von 21 x 27 Zentimetern den ersten Satz seines Romans.
Im Vorjahr (1867) war in dem Periodikum La Petite Presse Dumas’ Roman Les Blancs et les Bleus in vier separaten Teilen als Fortsetzungsroman abgedruckt worden; dieses Panorama der französischen Geschichte zwischen Dezember 1793 und August 1799, also von der Terreur bis zu Bonapartes Rückkehr aus Ägypten, charakterisierte der Verfasser mit den Worten: »Dieses Buch ist alles andere als ein Roman und manchen Lesern wahrscheinlich nicht romanhaft genug; wir sagten schon, dass es verfasst wurde, um mit der Geschichte Schritt zu halten« 13 , und an anderer Stelle sagt er: »Es lässt sich nicht leugnen, dass wir in diesem Werk eher romanhafter Historiker als historischer Romanschriftsteller sind. Wir glauben, unsere Phantasie oft genug bewiesen und uns das Recht erworben zu haben, historische Wahrhaftigkeit zu beweisen, ohne indessen unsere Erzählung der poetischen Einfälle zu entkleiden, welche die Lektüre leichter und angenehmer machen, als es die eines schmucklosen Geschichtswerks wäre.« 14
Im November 1866 hatte Dumas in Vorbereitung seiner historischen Arbeit in ziemlich hoheitsvollem Ton folgenden Brief an Napoleon III., den kleinen Neffen des großen Korsen, geschrieben:
Erlauchter Kollege,
als Sie sich daranmachten, Ihre Lebensbeschreibung des Siegers über die Gallier 15 zu verfassen, war es den Bibliotheken ein Anliegen, Ihnen die Dokumente in ihrem Besitz zur Verfügung zu stellen.
Das Ergebnis war ein anderen Arbeiten überlegenes Werk, indem es die größtmögliche Anzahl historischer Dokumente umfasst.
Da ich gegenwärtig mit der Geschichte eines zweiten Cäsars namens Napoleon Bonaparte beschäftigt bin, benötige ich die Dokumente, die sein Auftreten im Weltgeschehen betreffen.
Kurzum, ich hätte gern Kenntnis von allen Schriften, die der 13. Vendémiaire 16 gezeitigt hat.
Ich bat die Bibliotheken darum, doch sie wurden mir verweigert.
Es bleibt mir daher nichts anderes übrig, als mich an Sie zu werden, mein erlauchter Kollege, dem niemand etwas abschlägt, und Sie zu bitten, in Ihrem Namen diese Schriften von den Bibliotheken zu erlangen und sie mir zur Verfügung zu stellen.
Sollte meine Bitte Ihr Gehör finden, würden Sie mir einen Dienst erwiesen haben, den ich nie vergessen werde.
Ich habe die Ehre, erlauchter Kollege, mich mit größter Hochachtung zu empfehlen als Ihr bescheidener und überaus dankbarer Kollege
ALEX. DUMAS. 17
Allem Anschein nach wurde die Bitte Dumas’ erfüllt; Victor Duruy, der Unterrichtsminister, ermöglichte ihm den Zugang zu den gewünschten Quellen, und Dumas konnte Napoleon Bonaparte auf der Weltbühne auftreten lassen, den Mann, der »den ersten Teil des 19. Jahrhunderts mit der Fackel seines Ruhms
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