Der Graf von Sainte-Hermine - Dumas, A: Graf von Sainte-Hermine - Le Chevalier de Sainte-Hermine
heißen.« 24
Als Dumas gegen Ende seines Lebens – nicht fünf, sondern fünfundzwanzig Jahre nach den Zeilen an Bérenger – sein vollendetes Werk betrachtete, musste er sich die schmerzlichen Lücken eingestehen, darunter insbesondere die der Zeit zwischen 1799 und 1815. War die große Kathedrale seines Werks dazu bestimmt, wie so viele Bauwerke unvollendet zu bleiben? Der letzte Stein, den er in sein Bauwerk einfügte, war sein unvollendeter letzter Roman, in dem die vielgesichtige Figur Napoleons mit dem Helden kontrastiert wird, dem letzten Sprössling der Familie Sainte-Hermine, der für Napoleon eine unauflösbare Mischung aus Bewunderung und Abscheu empfindet.
Napoleon als Darsteller im Drama Frankreichs
Gegen Lebensende des Schriftstellers ist Napoleon bereits in die Geschichte eingegangen, doch der junge Dumas hat ihn noch mit eigenen Augen gesehen.
In einem Vortrag vor dem Cercle national des Beaux-Arts im Jahr 1865 in Paris erinnert sich Dumas:
Napoleon verließ Elba am 26. Februar [1815]. Am 2. März landete er im Golf von Juan. Am 20. erreichte er Paris.
Villers-Cotterêts lag auf dem Weg, den die Armee nehmen musste, um dem Feind zu begegnen.
Nach einem Jahr Herrschaft der Bourbonen, anders gesagt, nach einem Jahr der Verleugnung eines Vierteljahrhunderts unserer Geschichte, war es – wie ich zugeben muss – für die Witwe und den Waisensohn eines Revolutionsgenerals eine große Freude, die alten Uniformen wiederzusehen, die alten Kokarden, die sich auf dem Weg von Elba nach Paris in den Trommeln der Tamboure gefunden hatten, und die ruhmreichen alten Trikoloren mit den Löchern der Kugeln von Austerlitz, Wagram und der Schlacht von Borodino.
Ein herrliches Schauspiel war der Anblick dieser alten Garde – einer Art von Militär, die es heutzutage nicht mehr gibt und die man als lebende Verkörperung jener kaiserlichen Epoche betrachten kann, die wir kurz zuvor durchlebt hatten, der lebendigen und ruhmvollen Legende Frankreichs.
Innerhalb von drei Tagen durchquerten dreißigtausend Mann unsere Ortschaft, dreißigtausend Riesen von entschlossenem, ruhigem, beinahe nüchternem Auftreten. Jedem von ihnen war bewusst, dass ein Teil des großen napoleonischen Bauwerks aus seinem Blut zementiert war, auf seinen Schultern ruhte, und wie Pugets schöne Karyatiden, die den Ritter Bernini so erschreckt hatten, als er in Toulon an Land ging, schienen alle stolz auf die Last zu sein, die sie trugen, auch wenn es fast über ihre Kräfte ging.
Oh, vergessen wir sie nicht, vergessen wir sie niemals, die Männer, die mit festem Schritt nach Waterloo marschierten, anders gesagt dem Grab entgegen, denn sie verkörperten Aufopferung, Tapferkeit, Ehrgefühl; sie verkörperten das edelste Blut Frankreichs, zwanzig Jahre ununterbrochenen Kampfs gegen ganz Europa, die Revolution, unsere Mutter, den Ruhm der Vergangenheit und die Freiheit der Zukunft, sie waren nicht der Adel Frankreichs, sondern der Adel des französischen Volkes.
Ich sah sie alle vorbeimarschieren, alle bis zu den letzten Überbleibseln des Ägyptenfeldzugs: zweihundert Mamelucken in ihren roten Hosen und weißen Turbanen und mit ihren gebogenen Säbeln.
Etwas nicht allein Erhabenes, sondern sogar Religiöses, Heiliges, Geheiligtes ging von diesen Männern aus, die so unausweichlich und unwiderruflich verurteilt waren wie die Gladiatoren der Antike und wie sie hätten sagen können: » Caesar, morituri te salutant (Cäsar, die Todgeweihten entbieten dir ihren Gruß) .
Doch diese Männer gingen nicht zum Zeitvertreib ihres Herrschers in den Tod, sondern für die Unabhängigkeit eines Volkes, und sie wurden nicht gezwungen, sondern gingen aus freien Stücken, aus freiem Willen.
So zogen sie an uns vorbei!
Eines Morgens verstummte das Geräusch ihrer Schritte, und die letzten Klänge ihrer Marschmusik verhallten.
Die Musik war das Stück »Veillons au salut de l’Empire«.
Dann verkündeten die Zeitungen, dass Napoleon am 12. Juni aus Paris aufbrechen und sich seiner Armee anschließen werde.
Napoleon nahm immer den Weg, den seine Garde genommen hatte. Er würde also durch Villers-Cotterêts kommen.
Ich muss gestehen, dass es mich unbändig danach verlangte, diesen Mann zu sehen, der mit allem Gewicht seines Genius’ auf Frankreich und ganz besonders schwer auf mir gelastet hatte, dem armen Atom, das sich unter zweiunddreißig Millionen Menschen verlor und das er dennoch weiterhin zu Boden drückte, ohne sich meiner
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